Gut angezogene Punks schließen eine Lücke

Auf ihrem neuen Album „Notausgang“ zeigt die Berliner Band Die Verlierer, wie gegenwärtiger Deutschpunk klingen kann

Von Jens Uthoff

Deutschland, wie geht es dir heute? Diese Frage beantwortet aktuell vielleicht niemand besser als fünf Musiker aus Berlin, deren Band sich Die Verlierer nennt. „Notausgang“ heißt das zweite Album der Postpunk-Gruppe, Mitte Juni ist es bei dem kleinen Berliner DIY-Label Mangel Records erschienen. Der Titeltrack setzt dabei den Ton für das Album, zu minimalistischen, fehlfarbenesken Beats und Gitarren singt Hannes Berwing, einer der Sänger von Die Verlierer, im Refrain: „Und dieser Hass/ der uns umstellt/ Ihr macht uns krank/ Seid es selbst schon lang/ Dieses Land/ sucht den Notausgang“. Im sehenswerten Video streunern die fünf gut angezogenen Punks vereinzelt und zum Teil zombiemäßig durch die Landschaft, am Ende stehen sie vor einem edlen klassizistischen Bau mit einer goldenen Inschrift auf dem Architrav: „Der Besserung“ steht dort geschrieben. Es handelt sich um ein altes fürstliches Heilbad, das im Dessau-Wörlitzer Gartenreich steht.

Die Verlierer haben vor zwei Jahren ihr Debütalbum vorgelegt. Zunächst ist die Band als Projekt der befreundeten Bands Chuckamuck (Lorenz Szukal, Oska Wald, Julius Haß) und Maske (Hannes Berwing und Jonas Häussermann) entstanden, schon damals wurde deutlich, dass diese Fusion furios ist. Die Verlierer bedienen sich der einfachen Mittel des Punk und Postpunk, in ihrem Sound klingen das Sehnende der Ton Steine Scherben, der aggressive Furor von Slime und das betrachtend Lyrische der Fehlfarben an. Dabei könnte man von den Produktionsmitteln her denken, diese Songs seien tatsächlich Anfang der Achtziger aufgenommen worden – genau das aber lässt dieses Album so gut und gegenwärtig klingen. Denn es braucht das Scheppern der Snare, die direkte, null optimierte Gesangslinie, den holpernden Bass und die dreckig-verzerrte Gitarre, um die multiplen Krisen der Gegenwart ästhetisch zu verhandeln.

Einige Songs sind dabei dezidiert politisch, da wäre etwa das runtergerotzte Stück „Fickt diese Stadt“, das mit acht Zeilen Text auskommt („Fickt diese Stadt/ vertreibt die Menschen, die in ihr wohnen/ und verkauft ihre Kultur/ ignoriert die Sprache, die sie sprechen/ verkauft die Häuser, in denen sie wohnen/ und gebt mir ein großes Stück von ihr“). Ähnlich wie bei dem Titelstück wirkt es okay, so plakativ, unkodiert und eindeutig zu texten, und kommt nicht peinlich daher.

Während diese Songs klassisch-deutschpunkig funktionieren, gibt es andere Stücke, in denen persönliche Probleme lyrischer beschrieben werden. Das tastende Liebeslied „Stacheldraht“ ist ein gutes Beispiel dafür, darin findet sich wohl je­de:r wieder, der einmal den leichten Schwebezustand des Verliebens und den apathischen Schmerz des Entliebens erlebt hat. „Ich möchte nur in Sicherheit sein/ Ich möchte nur deine Sicherheit sein/ Ich versteh nicht/ was hier passiert/ ich seh dich/ Alles pausiert“.

Auf andere Art ist es beeindruckend, wie gleich im ersten Track („Das Gift“) Suchtprobleme mit wenigen Worten besungen werden: „Das Gift/ Die Sünde/ dass ich mich endlich fühl/ (…) Bist du ein Teil von mir/ Oder mein Problem/ Es ist so schön“, heißt es darin. Musikalisch geht es in dem Stück punk-konventionell zu, inhaltlich grenzen sich Die Verlierer darin angenehm vom Saufseligen so mancher Deutschpunkband der Vergangenheit ab.

Mit „Notausgang“ gelingt der Band ein Album, das das Debüt noch toppt. Viele musikalische Sozialisationen verbinden sich hier zu einem stimmigen Ganzen. Der Hamburger Punk der Achtziger und Neunziger (Razzia, Dackelblut), auch US-Bands wie The Spits oder The Reatards fallen einem zusätzlich als Referenz ein. Die Verlierer zählen derzeit sowieso zum Besten, was der deutschsprachige Punk aktuell zu bieten hat – wäre schön, wenn sie dauerhaft die Lücke füllen, die einige der in diesem Text genannten Bands hinterlassen haben!

Die Verlierer: „Notausgang“ (Mangel Records/ Sounds of Subterrania)