Biomasseauf dem Rückzug

Der ländliche Raum ist voller Biogas-Anlagen. Besonders in Norddeutschland leiden die Betreiber unter der Vergabepolitik der Regierung, denn die will diese Energieform deckeln

Biomasse lagert in einer Anlage in Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern. Hier wird sie unter hohem Druck und mit viel Hitze in nutzbare Pflanzenkohle verwandelt Foto: Jens Büttner/dpa

Von Harff-Peter Schönherr

Die Zahlen klingen eindrucksvoll: 2023 betrug die Strommenge aus Biomasse in Deutschland knapp 50 Terawattstunden (TWh). Knapp 10.000 Erzeugungs-Anlagen prägen den ländlichen Raum.

Aber mehr wird es nicht werden; im Gegenteil. Das „Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien“ (EEG) sehe „als Ziel der installierten Leistung von Bioenergie im Stromsektor im Jahre 2030 insgesamt 8.400 MW vor“, schreibt Robert Säverin, Sprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, der taz. Derzeit installiert sind 9.000. Denn „auch wenn sie natürlichen Ursprungs ist und ein erneuerbarer Rohstoff“, hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Herbst 2022 gesagt, sei „ihr Einsatz nicht per se klima- und umweltfreundlich“.

An eine Einspeisevergütung zu kommen, ist daher nicht leicht: Erhielt ein Betreiber früher für eine Neuanlage automatisch 20 Jahre lang festes EEG-Geld, muss er heute an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilnehmen; für Bestandsanlagen, deren Vergütungsverträge ausgelaufen sind, gilt das Gleiche. Man bietet eine Leistungsmenge in Megawatt (MW) und hofft auf den Zuschlag. Für Neuanlagen bringt der 20 Jahre lang Geld, für Bestandsanlagen 10.

Das Problem für die Anbieter: Viele von ihnen gehen leer aus. Die erste Biomasse-Ausschreibung 2024 sei „stark überzeichnet“ gewesen, kritisiert der Fachverband Biogas, 3.200 Betreibermitglieder stark. „Knapp zwei von drei Anlagen haben keinen Zuschlag erhalten.“ Viele Betreiber seien „verunsichert“. 788 Gebote gingen ein, im Umfang von 742 MW. Nur 263 Gebote waren erfolgreich, denn das Ausschreibungsvolumen war bei rund 240 MW gedeckelt.

Den Zuschlag bekommt, wer pro Kilowattstunde (kWh) weniger fordert als die anderen. Das führt dazu, dass die Betreiber sich unterbieten. Und die Ausschreibungsmengen sinken weiter. Für 2024 sind es insgesamt 500 MW, in ganz 2028 werden es nur noch 300 sein.

Das hat auch Auswirkungen auf die Wärmeversorgung, warnt Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas: „Wenn die Biogaswärme, die bei der Erzeugung von Strom in Blockheizkraftwerken eh anfällt, nicht mehr zur Verfügung steht, wird es an vielen Stellen schwer werden mit der Umsetzung der Wärmewende.“ Der Verband fordert ein Ausschreibungsvolumen von 1.800 MW pro Jahr.

In den nördlichen Bundesländern war es bisher besonders schwer, einen Zuschlag zu erhalten. Der Gesetzgeber habe mit dem EEG 2021 ein Zuschlagsverfahren eingeführt, „durch das die Hälfte des Ausschreibungsvolumens nur an Anlagen in der Südregion vergeben wird“, bestätigt Marta Mituta, Sprecherin der Bundesnetzagentur, der taz. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland hatten dadurch Vorteile.

Der „schleichende Ausstieg aus der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogas“ trage „bedauerliche Früchte“, sagt auch Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. „Mehr und mehr Bestandsanlagen, deren EEG-Vergütung ausläuft, bekommen endgültig keinen Zuschlag für eine Anschlussvergütung und müssen nun stillgelegt werden.“

Zumindest die Südquote fällt jedoch zukünftig weg, befristet „bis Anfang 2028“, so Mituta. Das EEG biete für die Biomasse-Technologie „die Möglichkeit, dass sich diese – bereits abgeschriebenen – Anlagen erneut an einer Ausschreibung beteiligen können“, schreibt Säverin vom Bundeswirtschaftsministerium. „Diese Anschlussförderung gibt es für keine andere EE-Technologie, und sie ist mit hohen EEG-Förderkosten verbunden.“ Dass der Zuschlag über den Gebotspreis erfolgt, stelle sicher, „dass nur die kosteneffizienten Anlagen einen Zuschlag erhalten“.

„Der schleichende Ausstieg aus der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogas trägt bedauerliche Früchte“

Sandra Rostek, Hauptstadtbüro Bioenergie

Auch Niedersachsen ist reich an Biomasseanlagen. Die sollen „zunehmend als Reservekraftwerke“ eingestuft werden, „weniger als Grundlast“, schreibt Korbinian Deuchler, Sprecher des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz, der taz.

„Biogas wird auch in Zukunft gebraucht“, sagt Umweltminister Christian Meyer (Grüne) der taz, dessen Bundesland sich wiederholt für die Abschaffung der Südquote eingesetzt hat. Niedersachsen wolle eine Umstellung „von einer reinen Einspeisevergütung zu einer flexiblen netzdienlichen Prämie, da Biogasanlagen flexibel gefahren werden können und dann eine besondere Vergütung erhalten sollten, wenn der Strombedarf hoch ist“.

Niedersachsen setze sich beim Bund dafür ein, „dass Anlagen, die flexibel Strom produzieren, in ein lokales Wärmenetz einspeisen und wirtschaftlich weiterbetrieben werden können, eine Perspektive bekommen“. Biogas, „insbesondere auf Basis von Rest- und Abfallstoffen“, könne „einen Beitrag zur Energiewende“ leisten.