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„Der Spruch war doch gut, oder?“

Mit „Gottes Segen“ auf dem Bahnhof ist Claus Schmiedel zumindest kurzfristig berühmt geworden. Die einen haben den Kopf geschüttelt, die anderen den Beleg gehabt, dass der SPD-Fraktionschef der härteste S-21-Fan ist. Im Interview mit Kontext überrascht der Politrambo mit der Aussage, er sei ein „ausgesprochen friedliebender Mensch“

Das Gespräch führte Josef-Otto Freudenreich, fotografiert hat Martin Storz

Herr Schmiedel, wir hoffen, dass Gottes Segen auf unserem Gespräch liegt.

Das ist Ihre Hoffnung.

Dahinter steckt nur die Sorge, dass es gleich Haue vom Politrambo gibt.

Ich bin kein Rambo. Dieses Image bleibt Stefan Mappus vorbehalten. Ich bin keiner, der grundlos rumbellt, ich habe nur die Eigenschaft, klar und deutlich zu sagen, wo die Reibungen, Gegensätze und Konflikte sind. Da kommt keine Tünche drüber, und das ist auch die Rolle, die ein selbstbewusster Fraktionschef zu spielen hat. Wir sind kein Abnickerverein. Das war die CDU-Fraktion lange Zeit genug, die nur nachgebetet hat, was ihr die Regierung vorgegeben hat. Ansonsten bin ich ein ausgesprochen friedliebender Mensch.

Jetzt aber.

Okay, mein Naturell ist es, mich nicht zu verstecken. Als Fraktionschef habe ich deutlich zu machen, wo die SPD steht. Das kann Nils Schmid so nicht. Er ist als stellvertretender Ministerpräsident in die Regierung eingebunden und kann sich nicht permanent mit seinen Ministerkollegen öffentlich auseinandersetzen. Ein nicht unerwünschter Nebeneffekt dabei ist, dass die Opposition dadurch an Bedeutung verliert.

Das meint Kretschmann wohl damit, wenn er sagt, dass einige in der SPD die Eierschalen der Opposition noch nicht abgelegt hätten.

Als Ministerpräsident würde ich mir auch wünschen, dass mein Koalitionspartner möglichst geräuschlos mitregiert. Aber das kann tödlich sein. In Berlin haben wir gesehen, was aus der geräuschlosen Linken geworden ist, die mit der SPD regiert hat. Nach zwei Wahlperioden waren sie am Ende. Oder nehmen Sie die baden-württembergische FDP nach der Entmachtung ihres Fraktionschefs Noll. Sie hat das Schoßhündchen von Mappus gespielt und wurde dadurch marginalisiert. Das ist mit mir nicht zu machen.

Ist auch besser für die Schlagzeile.

Die Medien können ihre Aufmerksamkeit nicht beliebig verschenken. Wenn die Zeitung voll ist, ist sie voll. Aber ich mache keine Show um der Show willen. Damit würden Sie sofort als substanzlos wahrgenommen. Ich melde mich zu Wort, wenn es eine reale Grundlage für einen Konflikt gibt. Und zwar immer dann, wenn die Grünen versuchen, die vereinbarte Koalitionslinie zu verlassen.

Oder wenn den Grünen die Demut gegenüber dem Juniorpartner fehlt.

Unser geschätzter Koalitionspartner leidet bisweilen unter der irrigen Annahme, die SPD müsste permanent beweisen, dass sie nicht an Platz zwei in der Koalition rangiert. Das ist für mich überhaupt kein Thema. Wir wissen, das gilt für fünf Jahre, und da jammert und heult keiner. Das Leben ist eben manchmal ungerecht. Richtig ist aber, dass wir uns damit nicht auf Dauer abfinden und das Ding rumdrehen wollen.

Also nix mit Schwarz-Rot, Ihrer Lieblingskombi?

Ich habe überhaupt keine Sehnsucht nach den Schwarzen. Die Schnittmengen mit den Grünen sind viel größer. Das ist ein reines Ablenkungsmanöver der Grünen, die diese Botschaft über Jahre gepflegt haben, um ihre eigene Nähe zur CDU zu verschleiern. Noch vor der Landtagswahl 2011 hat ihr damaliger Fraktionschef Kretschmann erklärt, die beste Koalition sei die, in der die Positionen am weitesten auseinanderlägen.

Steile These.

Damals war den Grünen nichts merkwürdig genug, um in Richtung Schwarz zu marschieren. Kretschmann meinte, in einer schwarz-grünen Koalition könne sich jeder um sein Thema kümmern, und der andere lasse ihn dabei in Ruhe. Erst als die letzten Umfragen signalisierten, dass wir zusammen eine Mehrheit erreichen könnten, waren die Grünen nicht mehr auf die CDU gepolt.

Und Sie nicht mehr auf den Superminister in einer CDU-geführten Regierung.

Mit Verlaub, das ist doch Kappes. Ein Fraktionschef hat mehr Möglichkeiten, in die Politik einzugreifen, als ein Ressortminister. Im Koalitionsausschuss sitzen der Ministerpräsident, sein Stellvertreter, die beiden Fraktionschefs sowie die Minister aus dem Staatsministerium. Hier werden die strittigen Fragen entschieden.

Gewiss zu Ihrer Zufriedenheit.

Wir haben allen Grund, selbstbewusst und zufrieden auf das erste Jahr zurückzublicken. Eine wirkliche Krise hat diese Regierung noch gar nicht gehabt, und das liegt auch daran, dass ich mithelfe, solche Krisen erst gar nicht entstehen zu lassen. Intern höre ich sogar von der CDU Respekt. Die hat gar nicht erwartet, dass wir regieren können.

Dann stören nur die Grünen, wenn sie das Schäufelchen nehmen, um S 21 zu untergraben?

Sie verlassen die Koalitionslinie, wenn sie nach dem Volksentscheid versuchen, den Weg, dem das Volk zugestimmt hat, zu unterminieren. Wer sagt, er zahle die Raten nicht, weil der ganze Vertrag verfassungswidrig sei, dem muss ich eben klarmachen, dass er überweist oder richtig Krach kriegt. Wer in die Pressekonferenz geht und sagt, die Regierung rechne mit 4,9 Milliarden Kosten, der hat das umgehend zu korrigieren. Sonst fragt sich doch jeder, ob die SPD auch schon hochrechnet.

Das tun Ihre Parteifreunde, der Bundestagsabgeordnete Arnold und Ex-S-21-Sprecher Drexler, doch schon auf den Fildern, wo sie mit 200 Millionen Euro Mehrkosten rechnen.

Das ändert nichts daran, dass der Kostendeckel, nach heutigem Stand der Dinge, nicht gelupft wird. Allerdings ist niemand dagegen gefeit, dass ein Tunnelbauer pleitegeht und eine andere Firma einspringen muss. Wenn ich das ausschließen wollte, dürfte ich niemals bauen. Was S 21 anbelangt, bin ich zuversichtlich. Für die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm halte ich das eher für nicht garantiert, weil das Gelände längst nicht so gut untersucht ist wie der Stuttgarter Untergrund. Aber das ist dann nicht mehr unser Bier.

Aber Gottes Segen liegt dann immer noch auf dem Projekt.

Der Spruch war doch gut, oder?

Wir haben uns scheckig gelacht.

Der Satz ist ohne die Vorgeschichte nicht zu verstehen. Ich habe damit auf die Pfarrer reagiert, die ihre Gottesdienste unter der Blutbuche im Schlossgarten abgehalten und das Projekt mit dem Turmbau zu Babel verglichen haben. Denen habe ich erzählt, dass auch der Bau der Stuttgarter Messe als Kreuzweg dargestellt wurde, auf dem sich das Leiden Christi abgespielt hat. Damals war ich der meistkritisierte Sozialdemokrat, heute würden alle sagen, dass auf der Messe erkennbar Gottes Segen liegt.

Sie wissen, dass es gefährlich ist, Profanes religiös zu überhöhen.

Ich habe ihnen nur den Spiegel vorgehalten, in dem sie sich wiedererkennen sollten. Und bevor Sie jetzt noch mit den „Guten“ kommen, erkläre ich das gleich mit: Es war der schlichte Konter auf die „Lügenpack“-Plakate. Sie sollten einfach darüber nachdenken, ob es bei S 21 wirklich um Gut und Böse, Wahrheit oder Lüge geht.

Ihre Parteifreundin Breymaier meinte, es könne nicht gut stehen um ein Projekt, das Gottes Segen bedürfe.

Ich habe nie zu denen gehört, die S 21 überhöht haben. Auch ohne den Bau ginge das Leben weiter, und mit ihm beginnt nicht die Herrlichkeit. Es ist nur ein wichtiges Infrastrukturprojekt, über das man mit guten Gründen sagen kann, es sei zu teuer. Aber ich sage: Es ist es wert, weil wir damit vorne dranbleiben.

Auch auf die Gefahr hin, dass sich Ihre Partei spaltet und noch mehr Wähler das Weite suchen?

Die große Mehrheit in der SPD will nicht, dass die Partei ihren Einsatz für die Verbesserung der Infrastruktur aufgibt, Wertschöpfung, Wachstum und Arbeitsplätze vergisst und sozusagen eine grüne Kopie wird. Dann könnte man auch die SPD vergessen.

Aber Öko kommt heute immer gut.

Wir haben immer betont, dass S 21 das grüne Projekt schlechthin ist. Wo gibt es ein Bauvorhaben, bei dem ich in einer Innenstadt eine so große brach liegende Freifläche für Wohnungen und Stadtpark erhalte?

Das Argument scheint ziemlich viele nicht überzeugt zu haben.

Was wir unterschätzt haben, war die verheerende Zusage eines Bürgerentscheids durch OB Schuster, die er nicht eingehalten hat. So ist in der Bevölkerung der Eindruck entstanden: Die nehmen uns nicht ernst, die wollen uns verarschen. Aber das befindet sich inzwischen im Abklingbecken.

Vielleicht sollten Sie mal zu einer der Montagsdemos gehen.

Einer der Demonstranten hat mir gesagt, er komme sich vor wie im Hamsterrad. Das Rad dreht sich weiter und die Baustelle auch. Die Hälfte der Bauaufträge ist vergeben, demnächst wird in die Tiefe gegangen, und irgendwann wird auch der Letzte sehen, dass man die Gruben nicht mehr zuschüttet. In der Stadt ist das Thema durch. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die noch Trauerarbeit leisten. Das ist okay, das ist wie im richtigen Leben.

Claus Schmiedel (61), Berufsschullehrer bis 1992, ist das Raubein der baden-württembergischen SPD. Gefürchtet von den Grünen, die ihn eher bei den Schwarzen sehen, bekämpft von allen S-21-Gegnern, die ihn im Bett der Bahn wähnen. Der Ludwigsburger trat 1992 der SPD bei, sitzt seit 20 Jahren im Landtag, davon mehrere Jahre als Oppositionsführer, nun als Fraktionschef. In der Fraktion ist er der unumschränkte Herrscher. Schmiedel ist mit einer Winzertochter verheiratet und hat vier Kinder.

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