das wird
: Neues Leben für Bau-Relikte

Die Ausstellung „Upgrade!“ zeigt an Industriedenkmalen, dass es sich lohnt, umzubauen statt abzureißen

Von Bettina Maria Brosowsky

Bundesbauministerin Klara Geywitz war kürzlich da – im Tabakquartier Bremen-Woltmershausen. Auf dem über 20 Hektar großen Gelände rund um eine historische Zigarettenfabrik entstehen Büros, Wohnungen, Grün, Gastronomie und Kulturangebote wie ein Zentrum für Kunst, auch ein Hotel, eine Kita. Geywitz war begeistert, entspricht das Ganze doch ihrer ministeriell proklamierten Priorität der Umnutzung vor dem Neubau. „Hier entsteht eines der deutschlandweit größten, gemischt genutzten Quartiere. Das ist ein weiteres tolles Beispiel, dass sich Umbauen anstelle von Abreißen lohnt“, so ihr Fazit.

Gerade macht die Wanderausstellung „Upgrade! Ressource Industriedenkmal“ der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) Station im Tabakquartier. Ihr interner Arbeitskreis Industriedenkmalpflege will angesichts gestiegenen Bewusstseins für Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit auch schützenswerte Altbausubstanz jenseits von Schlössern, Kirchen und barocken Bürgerhäusern ins Blickfeld rücken.

Der Ort passt perfekt, denn das Zentrum aller Aktivitäten im Tabakquartier ist die ehemalige Zigarettenfabrikation Martin Brinkmann. Einst durch Marken wie „Peer Export“ oder „Lord Extra“ weltweit bekannt, schrumpfte sie am Standort Hemelingen zur Rumpfproduktion einer internationalen Holding. In Woltmershausen hinterließ sie einen dreigeschossigen, 1936 begonnenen, sehr ansehnlichen Gebäudekomplex in rotem Sichtmauerwerk, beständig bis in die 1970er-Jahre erweitert. Dazu zählen ein Kesselhaus mitsamt „Landmarke“, einem nunmehr illuminierten Schornstein, und drei Tabakspeicher. Der Baubestand ist seit 2019 eingetragenes Denkmal. Firma Brinkmann war übrigens Nutznießer des NS-Regimes, die Belieferung der Wehrmacht mit Zigaretten galt als „kriegswichtige Produktion“ – ein historischer Fakt, der die Euphorie weder der Denkmalpflege noch einer Ministerin zu trüben scheint.

Ohne Investor geht nichts

Ausstellung „Upgrade! Ressource Industriedenkmal“: bis 3. 8., Tabakquartier, Bremen, Hermann-Ritter-Straße 112; 5. 9. bis 13. 10., im Computer-Museum im Bunker, Kiel, Eichenbergs­kamp 8

Die Ausstellung gliedert Beispiele gelungener Revitalisierung von Baudenkmalen industriellen oder gewerblichen Ursprungs in verschiedene Typologien, das Tabakquartier rangiert unter „Industrieareale“. Diese prägten oft ganze Stadtteile, bildeten ihre ökonomische Basis. Vieles wurde in den vergangenen Jahrzehnten Opfer sogenannten Strukturwandels: Industrielle Produktionen fielen weg, gar ganze Wirtschaftszweige wie der maritime Handel inklusive Seefahrt. Überkommenes, umweltschädliches Gewerbe wurde aufgegeben, technisch überholte Infrastruktur oder Anlagen der Rohstoffgewinnung wie Bergbau und Eisenerzförderung.

Ihre Baurelikte, teils große Komplexe aus hohen Hallen, freistehenden Aggregaten und geschlossenen Baukörpern wie Wassertürmen und Silos, und ihre weitläufigen Flächenreservoire bedürfen langwieriger Perspektiven der Stadtentwicklung, also nicht nur denkmalpflegerischen Interesses. Und ohne einen finanzkräftigen Investor geht nichts, zumindest jenseits alternativkulturellen Charmes, etwa des Faust-Geländes, eine vormalige Bettfedernfabrik, in Hannover-Linden.

Der Norden ist auch durch kleinere Referenzen in der Ausstellung vertreten. Da wäre die Maschinenwerkhalle einer Kohlenhandlung in Lübeck: ein Kletterparadies mit Chill-Zone. Oder ein Wasserturm in Bad Segeberg und ein Speicher in Kappeln: Beides wurde zu Wohnungen. Auch die Nachkriegsmoderne hinterließ Industriedenkmale, so die in den 1960er-Jahren erbaute Kleingüterabfertigung mit ihrem Flugdach in der Bremer Überseestadt.