Berufsbildung in Hamburg: Mehr Hilfe für die Jugend ohne Plan

Hamburg will seine Jugendberufsagentur neu aufstellen. Berater sollen die Jugendlichen nun aufsuchen und auch bei anderen Lebenssorgen helfen.

ZweiFrauen mit Kopftuch stehen auf einer Messe vor einer Wand

In den vergangenen Jahren haben sich die Berufswünsche junger Menschen verändert, das will Hamburg mehr in den Blick nehmen Foto: Mauersberger/imago

HAMBURG taz | Die vor zwölf Jahren in Hamburg gegründete Jugendberufsagentur sei schon ein Erfolgsmodell, schwärmten Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) und Schulstaatsrat Rainer Schulz am Dienstag vor der Presse. Spätestens nach einem Jahr hätten in Hamburg zwei Drittel der Jugendlichen eine Ausbildung begonnen, im Bundesdurchschnitt dauere das vier Jahre. Doch nicht zuletzt infolge der Cornonapandemie war die Zahl der Ausbildungsstellen und die der Jugendlichen, die eine Ausbildung machen wollen, zuletzt rückläufig. Darum will Hamburg nach den Ferien das Projekt „Jugendberufsagentur 2.0“ starten.

Schon jetzt arbeiten an den sieben Standorten der JBA, wie die Einrichtung abgekürzt heißt, Mitarbeiter aus Jugendhilfe, Jobcenter, Arbeitsagentur und Schule zusammen. Sie bemühen sich, den Verbleib aller Schulabgänger zu erfassen, was im vergangenen Jahr bis auf drei Ausnahmen auch gelang. Früher wussten Behörden jedes Jahr von 700 bis 800 Schulabgängern nicht, was die im Anschluss taten.

2012 kam heraus, dass nur rund 25 Prozent der abgegangenen Zehntklässler einen Ausbildungsplatz hatten. Inzwischen sind es mehr als 44 Prozent. Fast ebenso viele beginnen ein elftes Schuljahr an den Berufsschulen in einer mit Praktika ergänzten „Ausbildungsvorbereitung-Dual“, die wiederum dazu führt, dass etwa die Hälfte nach einem Jahr eine Lehre beginnt.

Auch Beratung bei Sucht oder Obdachlosigkeit

Nun wolle man auch jene mehr in den Fokus nehmen, die „multiple Vermittlungshemmnisse oder psychosoziale Probleme“ haben, so Schulstaatsrat Schulz. Auch an die Gruppe junger Geflüchteter von 18 bis 25 Jahren, die nicht mehr schulpflichtig sind, wolle man gezielter herantreten. Ab 2026 soll es zusätzlich ein zentrales „Kompetenzcenter“ geben, in dem Schuldner- oder Suchtberatung, Beratung rund um Fluchtfragen oder Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung angeboten werden. Die Hilfe solle praktisch sein. Und sei ein junger Mensch obdachlos, wolle man ihm zu einem Wohnplatz verhelfen.

Die bisher aus mehreren freiwillig zusammenarbeitenden Behörden verschiedener Rechtskreise soll zudem eine fachliche Leitung bekommen. Das höre sich zwar technisch an, sei aber für staatliche Akteure etwas „unheimlich Zukunftsweisendes“, sagte Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock. „Es gilt, einen ganzheitlichen Blick auf den jungen Menschen zu nehmen.“ Zudem sollen „Inklusionslotsen“ erprobt werden, die so lange an der Seite eines Jugendlichen bleiben, bis er eine Ausbildung hat.

In den vergangenen zwölf Jahren haben sich die Berufswünsche der jungen Menschen „sehr verändert“, ergänzte Jobcenter-Chef Dirk Heyden. Man wolle moderne Strukturen aufbauen, auch über Instagram informieren, und zu Jugendzentren und anderen hoch frequentierten Aufenthaltsorten hingehen, „um die jungen Menschen zu erreichen, die ohne einen Plan sind“.

Neue Möbel für die Filialen

Auch an aufsuchende Beratung in Flüchtlingsunterkünften wird gedacht. Die JBA-Filialen sollen neue Möbel und eine andere Anmutung bekommen, „nicht mehr die einer Behörde“, so Heyden. Auch die Jugendhilfe solle früher eingebunden werden und deren Mitarbeiter auf digitalem Weg Zugang erhalten.

Hamburgs JBA, für die seinerzeit erst gesetzliche Grundlagen zum Datenaustausch geschaffen werden mussten, war die Blaupause für zahlreiche Jugendagenturen im Bund, sagte Schlotzhauer. Laut Schulz gibt es über 360 Nachahmungen im Land.

Digitalisierungs-Gewinne statt neuer Stellen

Das auf zwei bis drei Jahre ausgelegte 2.0-Projekt, dessen Drucksache der Hamburger Senat an diesem Dienstag beschloss, soll durch Veränderung der Arbeit der 370 Mitarbeiter und „Digitalisierungsgewinne“ realisiert werden. Zusätzliche Stellen seien nicht geplant, so die Senatorin.

Verstärkt werden soll auch „präventiv und proaktiv“ der Einsatz der JBA in den Vorabgangsklassen der Schulen. Gelegentlich, so hört man, soll es für junge Leute auch belastend sein, zu einer Berufswahlentscheidung gedrängt zu werden. Gefragt, ob die JBA-Beratung freiwillig sei, sagte Schlotzhauer, Angebote, die sich im Rahmen der Schulpflicht abspielen, seien es nicht, die übrigen Beratungen aber schon.

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