Nigers Militärherrschaft möchte gerne glänzen

Ein Jahr nach dem Militärputsch hat Nigers Junta allen Bemühungen getrotzt, sie durch Isolation weichzuklopfen. Aber verbessert hat sie die Situation ihres Landes nicht

Sitzt fest im Sattel: General Abdourahamane Tiani, Vorsitzender des Nationalrats zur Rettung des Vaterlandes und Präsident von Niger Foto: Mahamadou Hamidou/reuters

Von Dominic Johnson

Nigers Militärregierung lässt sich feiern. Die regierende Junta CNSP (Nationalrat zur Rettung des Vaterlandes) unter General Abdourahamane Tiani hat kurzfristig den 26. Juli zum nationalen Feiertag erklärt, als Auftakt einwöchiger Festlichkeiten bis zum Unabhängigkeitstag am 3. August. Am 3. August 1960 wurde Niger im Rahmen der Entkolonisierung Afrikas von Frankreich unabhängig, am 26. Juli 2023 wurde Nigers gewählter Präsident Mohamed Bazoum in einem Militärputsch gestürzt – damit verlor Frankreich und der „globale Westen“ insgesamt seinen letzten verlässlichen Verbündeten in Afrikas Sahelzone. Ein Jahr später wird der 26. Juli nun zum Tag des Gedenkens an „die hochpatriotischen Aktionen des nigrischen Volkes zur Bestätigung seiner Souveränität und seiner Unabhängigkeit“, wie es offiziell heißt.

Der Putsch vom 26. Juli 2023 war nicht wirklich eine Überraschung. Niger hat schon viele Militärputsche erlebt, und dieser folgte auf jeweils zwei Militärputsche in den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso in den Jahren ab 2020. Anders als dort gab es vor dem Umsturz in Niger aber keine sichtbare größere Unzufriedenheit in der Hauptstadtbevölkerung wie in Mali oder innerhalb der Streitkräfte wie in Burkina Faso. Es ging eher um Pfründe. Unter dem gewählten Präsidenten Bazoum und seinem Vorgänger Issoufou hatten Frankreich, die USA, Deutschland und die EU Niger mit großzügigen Militärhilfen überschüttet, Militärbasen gebaut, Ausbildungsprogramme gestartet und Niger zur Drehscheibe des Krieges gegen den islamistischen Terror in der Sahelzone sowie gegen Migration Richtung Europa ausgebaut. Das weckte innernigrische Eifersüchteleien: Die traditionell privilegierte Präsidialgarde sah sich tendenziell im Hintertreffen gegenüber den vom Ausland geförderten Einheiten und stellte unsanft ihre Vormachtstellung wieder her.

Ihre Legitimität bezieht Nigers Junta weniger aus ihrem Putsch als aus ihrem erfolgreichen Widerstand gegen die internationalen Bestrebungen, ihn rückgängig zu machen. Auf französisches Drängen verhängte die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) extrem harte Sanktionen gegen Niger und drohte mit einer Militärintervention. Nigers Generäle boten den Drohungen die Stirn – erfolgreich: Der große Nachbar Nigeria gab nach, die Ecowas-Pläne wurden auf Eis gelegt, auch Frankreich sah von einem Eingreifen seiner Truppen vor Ort zugunsten des unter Hausarrest gestellten legitimen Staatschefs Bazoum ab, was mit Sicherheit ein Blutbad produziert hätte.

Mit ihrem Sieg gegen die alte Kolonialmacht wurde Nigers Junta zum Held der unzufriedenen Jugend in ganz Westafrika, eine Avantgarde der in vielen Ländern von radikalen Kräften gepredigten panafrikanischen „Revolution“ gegen den Westen, die nicht nur von Militärputschisten gepredigt wird, sondern auch etwa von der neuen gewählten Regierung im Senegal. Mit den Militärregimen aus Mali und Burkina Faso gründete Niger im September eine „Allianz der Sahel-Staaten“ (AES), die kollektiv aus der Ecowas austrat und jetzt Schritte in Richtung Konföderation plant.

Die Militärabkommen mit Frankreich, den USA und der EU hat Niger aufgekündigt. Frankreich musste seine Truppen vergangenes Jahr abziehen, die USA folgen in diesem Jahr. Deutschland, das in Niger Spezialkräfte trainierte und über Niger den Abzug seines UN-Kontingents aus Mali abwickelte, gibt in diesen Wochen seine Basis am Flughafen der Hauptstadt Niamey auf, nach Differenzen über ein neues Stationierungsabkommen: Deutschland verlangte für seine Soldaten eine nigrische Immunität, Niger verlangte für seine Militärregierung eine deutsche Sicherheitsgarantie.

Die internationalen Sanktionen nach dem Putsch hatten Niger sehr hart getroffen. Nigeria stellte dem Nachbarland den Strom ab. Die Uranförderung um Arlit, traditionell der wichtigste Devisenbringer Nigers, kam weitgehend zum Erliegen, weil wichtige chemische Produkte fehlten. Den Staatshaushalt für 2023 musste die Militärregierung im Eilverfahren um 40 Prozent kürzen, von 3291 auf 1981 Milliarden CFA-Franc (drei statt fünf Milliarden Euro) – das entsprach dem Anteil der weggefallenen ausländischen Budgethilfe. Sonstige Entwicklungshilfe für Niger schrumpfte laut Weltbank von geplanten 625 Millionen US-Dollar im Jahr 2023 auf 82 Millionen. Das machte die Junta aber nicht nachgiebig – es trieb sie neuen Partnern zu.

Russland hat mit Niger eine Militärkooperation vereinbart. Es könnte die einst größte US-Drohnenbasis in Afrika übernehmen, die sich bei Agadez in Niger befindet und die die USA bis Mitte September räumen sollen – sie verlegen ihre Kräfte Berichten zufolge in die Elfenbeinküste, nach Odienné nahe der Grenze zu Mali.

Der gestürzte Präsident Bazoum soll wegen Landesverrats vor Gericht

Iran hat angeboten, mit Niger Erfahrungen im Umgang mit internationalen Sanktionen zu teilen, und hat Interesse an Nigers Uran – den bestehenden französischen und kanadischen Förderern hat Niger in den vergangenen Wochen die Lizenzen entzogen. Die kanadische Firma Goviex nannte dies vergangene Woche „verstörend“ und kündigte rechtliche Schritte an.

Chinas staatlicher Ölförderer CNPC weitet Nigers Erdölförderung aus. Bisher werden die bei Agadem im Osten des Landes geförderten 20.000 Barrel pro Tag in einer Raffinerie in Zinder für den lokalen Markt verarbeitet. Jetzt sollen 90.000 Barrel pro Tag für den Export dazukommen – über eine lange Pipeline nach Benin am Atlantischen Ozean. 400 Millionen US-Dollar Vorschuss hat China an Niger gezahlt, als Kredit.

Aber weil Niger die gemeinsame Grenze geschlossen hält, verweigert Benin die Inbetriebnahme der Pipeline. Dabei hatte die in die Defensive gedrängte Ecowas im Februar die meisten Sanktionen gegen Niger aufgehoben, einschließlich der Grenzschließungen. Sie fordert aber nach wie vor die Freilassung des gestürzten Präsidenten Bazoum. Der aber bleibt nicht nur unter Hausarrest, sondern soll demnächst wegen Landesverrats und Terrorismusförderung vor Gericht. Der 64-Jährige lebt mit seiner Frau in einem Zimmertrakt des Präsidentenpalastes, den er nicht verlassen darf, mit Soldaten vor jeder Tür, berichten Vertraute.

So ein Prozess könnte für Nigers Militärs nach hinten losgehen. Denn sie haben ihrem Land nicht mehr Sicherheit gebracht. Nach übereinstimmenden Berichten haben sich islamistische Terrorgruppen aus Mali und Burkina Faso in Nigers Westen festgesetzt. „Zivile und militärische Opferzahlen haben sich im ersten Jahr der Militärherrschaft mehr als verdoppelt“, bilanziert der Antiterrorfachdienst „Critical Threats“: „Aufständische haben fast fünfmal so viele Großangriffe mit mindestens zehn Toten durchgeführt wie im Vorjahr.“

Erst am Montag sollen mindestens 25 Soldaten der nigrischen Gendarmerie in Téra westlich der Hauptstadt Niamey getötet worden sein. Dort sind Einheiten des „Islamischen Staates“ (IS) aktiv. Über Téra läuft Nigers aktuell wichtigste Außenhandelsroute, die über Togo Richtung Atlantik führt und von den Armeen beider Länder bewacht wird. Die Sicherheitslage um Niamey gilt als angespannt, keine Fernstraße ist mehr sicher. Die bevorstehenden Feiern werden zum Test.