Rolle Serbiens beim Lithium: Putin-Freund rehabilitiert

Serbiens Präsidenten Vučić ist es gelungen, aus dem Lithiumvorkommen im Land Kapital zu schlagen. Trotz Putin-Nähe hat er Berlin als Bündnispartner gewonnen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), geht neben Aleksandar Vucic, Präsident von Serbien, zu einem Gipfeltreffen zu kritischen Rohstoffen

Wenn es ums Lithium geht, wird auch Putin-Freund Vučić wieder Partner Foto: Michael Kappeler/dpa

Lithium heißt der Stoff, der für die Energiewende in Europa ausschlaggebend wichtig ist. Ein willkommener Anlass für Berlin und Brüssel, unnötigen Ballast in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte abzuwerfen? Um an den von der Autoindustrie und den Batterieproduzenten so sehnlichst erwünschten Rohstoff zu kommen, scheint man in den liberalen Demokratien Europas auch bereit zu sein, den autokratischen Positionen des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić entgegenzukommen.

Dem serbischen Präsidenten ist es gelungen, aus dem Lithiumvorkommen in Serbien bestmögliches Kapital zu schlagen. Der wegen seiner Putin-Nähe, seiner repressiven Innenpolitik und seiner nationalistischen Rhetorik scharf kritisierte Staatschef hat es geschafft, die von ihm lange verhöhnte EU und das von ihm oftmals verdammte „feindliche“ Deutschland als Bündnispartner zu gewinnen. Wie jetzt öffentlich wurde, hat er dabei finanzkräftige Unterstützung: Die australische Rio Tinto Company, der größte Lithiumproduzent der Welt, kooperiert schon seit längerem mit Vučićs Serbien, um im Jadartal Lithium abzubauen.

Dahinter stehen strategische Entscheidungen. Vor allem die deutsche Autoindustrie braucht Lithium. Serbien spielt zwar mit China und Russland. Doch Vučić hofft bei einem Lithiumdeal zwar auch auf Investitionen, aber vor allem auf ein europäisches Entgegenkommen in der Bosnien- und Kosovopolitik. Um Serbien zu gefallen, könnten im Gegenzug Grundsatzpositionen der EU zu Menschenrechten und der Geschichtsinterpretation aufgegeben werden. Schon jetzt beginnen EU-Diplomaten, Opfer und Täter auf eine gleiche Stufe zu stellen. Steht der Westen noch hinter der Souveränität Bosniens und des Kosovo?

Vor allem aber die Umweltbewegung in Serbien ist enttäuscht – ganze Landstriche werden wohl mit der Lithiumproduktion verwüstet werden. Vor drei Jahren führten die Proteste zu einer riesigen politischen Bewegung gegen Vučić, dessen Machtgefüge zu wackeln begann. Insbesondere die deutschen Grünen werden wohl einen neuen Grundsatzkonflikt auszutragen haben.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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