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: Mulmiges Gefühl

Der Nahostkonflikt überschattet den Auftritt der israelischen Olympiamannschaft in Paris

Was haben Misha Zilberman, Lonah Salpeter, Rotem Gafinovitz, Yuval Freilich oder Lihie Raz gemeinsam? Sie starten in ein paar Tagen für das israelische Olympiateam in Paris. Sie haben die Reise wie ihre 83 Kollegen mit gemischten Gefühlen angetreten, denn der Nahostkonflikt reicht bis in die französische Hauptstadt. Die Sicherheitsbehörden sind in Alarmbereitschaft, die Grenzen nach Frankreich werden, auch von Deutschland aus, kontrolliert, und Team Israel wird nicht nur von Physiotherapeuten und Trainern begleitet, sondern auch von bewaffneten Beamten des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, dessen Spezialgebiet unter anderem der Personenschutz ist.

Die Bedrohungslage ist nicht abstrakt, sondern durchaus konkret. Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) berichtet jetzt über Hassmails, die israelische Sportler immer wieder erreichten. „Wenn Sie Angst haben vor dem, was 1972 in München passiert ist, kommen Sie nicht nach Frankreich. Seien Sie auf der Hut vor Angriffen auf Flughäfen, Hotels und Straßen, die uns gehören“, zitieren israelische Medien aus den E-Mails. Das Internationale Olympische Komitee bestätigte die Existenz der Schreiben und informierte die zuständigen Sicherheitsbehörden. 1972 in München hatten palästinensische Terroristen des Kommandos „Schwarzer September“ 14 is­rae­li­sche Olympiateilnehmer als Geiseln genommen und später 11 von ihnen ermordet.

Seit über einem Jahr wird daran gearbeitet, dass sich so ein Horrorszenario in Paris nicht wiederholt. Seit den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio wird im Rahmen der Spiele auch eine Gedenkfeier für die Opfer des Terrors von München abgehalten. In Paris sollte sie offiziell im Rathaus stattfinden, aber die Zeremonie wurde verlegt, laut der he­bräi­schen Nachrichtenagentur Israel Hayom war sie ursprünglich für den 24. Juli geplant, wurde aber aus Sicherheitsgründen abgesagt. Stattdessen wird eine kleinere Zeremonie mit weniger Teilnehmern an einem Ort stattfinden, der der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben wird.

Diese Nachricht wird das Sicherheitsgefühl der israelischen Delegation sicherlich nicht bestärken, auch nicht die Meldung, dass es demnächst im Nachbarland Belgien im Rahmen der Nations League nicht zum Aufeinandertreffen der belgischen Na­tio­nal­mann­schaft mit der israelischen kommt, weil eine Reihe von Städten wie Brüssel, Antwerpen oder Löwen Angst vor massiven Protesten haben und die Kosten der Sicherheitsoperationen offenbar scheuen; so wird das Fußballspiel wohl in Ungarn stattfinden.

Flucht nach Israel

Das olympische Paris kann das Problem nicht – im wahrsten Sinne des Wortes – verdrängen, es muss damit umgehen, dass israelische Athleten zur Zielscheibe antizionistischen und antisemitischen Hasses werden. Viele französische Juden erleben das tagtäglich und treffen eine Entscheidung: Sie siedeln über nach Israel. So kommt es, dass ein Drittel aller französischen Juden, die seit Israels Gründung 1948 dorthin ausgewandert sind, den Schritt in den vergangenen zehn Jahren gegangen ist; über 3.000 Juden kehren Frankreich jedes Jahr den Rücken.

Angesichts dieses unschönen Trends wäre es doch très chic, wenn die Reisegruppe aus Tel Aviv, Aschdod oder Netanja nun wenigstens zwei Wochen lang gastfreundlich behandelt würde in Frankreich. Das gebietet nicht nur die Olympische Charta. Markus Völker