Nicht mehr komisch

Der Komischen Oper Berlin droht das Aus ihrer Sanierung

Wer Skrupel hat, verliert!“, leuchtete ein Schriftzug im Dezember vorm Schillertheater in Berlin-Charlottenburg. Das ehemalige Schauspielhaus dient der Komischen Oper aktuell als Interimsbühne, da deren Bau in Mitte saniert wird. Gezeigt wurde damals das Musical „Chicago“, ein Spektakel mit viel Glitzer und Glamour, in dem die Charaktere keine Skrupel kennen, ihre Interessen durchzusetzen.

Keine Skrupel kennt auch „Chicago“-Regisseur Barrie Kos­ky, wenn es darum geht, für seine einstige Wirkungsstätte einzustehen. Auf Überlegungen des Berliner Senats, die Sanierungsarbeiten des Mutterhauses der Komischen Oper aus Kostengründen zu stoppen, reagierte deren ehemaliger Intendant jetzt mit einem offenen Brief. In ihm zeigte er sich „schockiert und empört“ über einen möglichen Baustopp, dieser würde das Ende für das Opernhaus bedeuten.

Vor einem Jahr musste das 1892 in der Behrenstraße eröffnete Haus schließen, um generalsaniert zu werden. Schon 2018 fiel dort der Stuck von der Decke. Auch ein Neubau ist geplant, mit Dachterrasse, Shop, Café. Eigentlich eine schöne Idee, um das Quartier um die Friedrichstraße neu zu beleben. Scheitern könnte das Projekt an den Kosten: Diese sollen rund 500 Millionen betragen.

Das Land Berlin habe kein Geld und müsse sparen, so das Fazit bei der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses Anfang Juli. Entschieden ist noch nichts, Kultursenator Joe Chialo (CDU) ließ aber verlauten, man wolle die Einsparziele von 10 Prozent erfüllen und müsse sich, so sein Pressesprecher, alles anschauen.

Darin, die Komische Oper dauerhaft im Bau des Schillertheaters unterzubringen, sieht Kosky keine Lösung, es sei weder Heimat noch Zukunft der Komischen Oper: „Würden Sie das Berliner Ensemble vom Bertolt-Brecht-Platz wegholen? Würden Sie die Berliner Philharmoniker von der Philharmonie trennen?“ Diese Institutionen seien, wie die Komische Oper, untrennbar mit ihren Häusern verbunden.

Ähnlich sehen es die Co-­In­ten­danten des Hauses, Susanne Moser und Philip Brö­king, die in Interviews die fehlenden Platz- und Lagerkapazitäten des Schiller­thea­ters bemängeln und auf einen logistischen Mehraufwand hinweisen, den man auf Dauer finanziell nicht stemmen könne.

Schon oft wurde diskutiert, ob Berlin drei Opernhäuser bräuchte. Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) formulierte es Anfang Juli so: „Was kann sich Berlin leisten, was ist staatliche Daseinsvorsorge, und was ist nice to have?“

Worunter nicht an Profit orientierte Unterhaltung fallen dürfte, ist nicht schwer zu erraten. Aber ist nice to have nicht auch das, was die kulturelle Vielfalt Berlins einst ausmachte? Sophia Zessnik