Fäuste gegen Fakten

In Kroatien wurde die Klimajournalistin einer Fact-Checking-NGO attackiert. Europaweit werden Fak­ten­prü­fe­r:in­nen zur Zielscheibe

Sieht mehr, als manchen lieb ist Foto: Oleh Yatskiv/Alamy/mauritius images

Von Christian Jakob

Die kroatische Journalistin Melita Vrsaljko ist bei Recherchen zu einer illegalen Mülldeponie nahe der Stadt Zadar an zwei Tagen in Folge körperlich angegriffen worden.

Am vergangenen Montag wurden Vrsaljko und ihr Kameramann bei Dreharbeiten in der Kleinstadt Nadin attackiert, geschlagen und ihre Ausrüstung wurde zerstört. Am Dienstag drang eine Frau in Vrsaljkos Haus ein, schlug und würgte die Filmemacherin und versuchte sie mit Gewalt zu zwingen, die Aufnahmen vom Angriff am Vortag zu löschen. Sie ließ Vrsaljko zufolge erst von ihr ab, als sie ihr in den Finger biss.

Melita Vrsaljko arbeitet als Klimajournalistin bei der Fact-Checking-NGO Faktograf in Zagreb. Bei den Angreifern handelt es sich nach Angaben von Faktograf um den Vater und die Schwester eines lokalen Politikers der nationalkonservativen Partei HDZ.

Faktograf ist eine NGO, die unter anderem für den Tech-Konzern Meta arbeitet und von Facebook-Nutzer:innen gemeldete Inhalte auf mögliche Fake News überprüft. Die Mit­ar­bei­te­r:in­nen von Faktograf sind deshalb seit Langem Bedrohungen und Angriffen auch von Po­li­ti­ke­r:in­nen ausgesetzt ist. Physische Gewalt gab es dabei aber bisher nicht.

Die in Zagreb ansässige Organisation ist ein Kooperationspartner der taz in einem seit 2022 gemeinsam mit dem International Press Institute in Wien laufenden Rechercheprojekt zu Desinformationskampagnen.

Im März 2024 hatte Faktograf ein Klimaportal gestartet, für das die nun angegriffene Melita Vrsaljko verantwortlich ist.

„Ziel beider Angriffe war es, ­Vrsaljko an ihrer journalistischen Arbeit zu hindern, sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen“, so ihre Anwältin Vanji Jurić. Das hätten die Angreifer durch „körperliche Verletzungen, Drohungen, Wegnahme ihrer Ausrüstung und Drohanrufe und Nachrichten versucht.“

Der Angriff auf Vrsaljko zeige, „wie schwierig es ist, in kleinen Gemeinden Journalismus zu betreiben, in denen lokale Sheriffs herrschen und glauben, dass die Öffentlichkeit kein Recht hat zu erfahren, was sie tun“, sagte die Geschäftsführerin von Faktograf, Ana Brakus.

Der europäische Fact-Checking-Verband EFCSN nannte den Vorfall „Teil eines besorgniserregenden Trends von Drohungen und Belästigungen, die gegen Faktenprüfer weltweit gerichtet sind.“

„Ziel beider Angriffe war es, Vrsaljko an ihrer journalistischen Arbeit zu hindern, sie einzu­schüchtern und zum Schweigen zu bringen“

Vanji Jurić, Rechtsanwältin

Faktenprüfer spielten eine „entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den öffentlichen Diskurs zu schützen und sicherzustellen, dass die Bürger mit korrekten Informationen versorgt werden“, so das EFCSN. Das International Press Institute in Wien schrieb, es verurteile den Angriff auf ­Vrsaljko scharf und forderte die Behörden auf, den Vorfall schnellstmöglich zu untersuchen. „Angriffe auf Journalisten dürfen nicht ungestraft bleiben“, so das IPI.

2023 hatte Faktograf eine Untersuchung zu gezielter Desinformation und Online-Gewalt gegen 41 europäische Fact-Checking-Organisationen vorgelegt.

In neun von zehn Fällen seien Verleumdungen, Hassreden und Angriffe wegen ihrer Arbeit von Politike­r:innen, Regierungsbeamten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgegangen. Sieben von zehn der Befragten hätten zudem Kampagnen erlebt, die unter anderem koordiniertes Verhalten wie Stalking, Doxing oder geschlechtsspezifische Gewalt umfassten.