Stadtgespräch Michael Braun aus Rom
: Hallo Taxi? Von wegen. Die sind Mangelware in der italienischen Hauptstadt. Vom Lenkrad­proletariat kann aber keine Rede sein. Viele Fahrer sind recht privilegiert

Das kennt man überall in Euro­pa: In der Neujahrsnacht ist kein Taxi zu haben, weil zu viele gefeiert und getrunken haben und dann nach Hause gefahren werden wollen. In Rom liegen die Dinge ein wenig anders – hier ist immer Neujahr, wenn es um Taxis geht. Tou­ris­t*in­nen werden sofort unangenehm überrascht, kaum sind sie an der Stazione Termini dem Hochgeschwindigkeitszug entstiegen. Vor dem Bahnhofsgebäude dürfen sie sich einreihen in die Schlange derer, die auf ein Taxi warten – an schlechten Tagen ist die gern 100 Meter lang.

Gerade jetzt, im Juli, ist das alles andere als ein Vergnügen. Mittags marschiert das Thermometer Richtung 38 Grad im Schatten, die Schlange stehenden Menschen jedoch sind der prallen Sonne ausgesetzt, versuchen den Kopf mit Handtüchern zu schützen, fluchen auf Italienisch, Deutsch oder Spanisch.

Gut gelaunt ist dagegen der Fahrer. Auf die verärgerte Nachfrage, wieso nirgends ein Taxi zu finden sei, hat er sofort die Antwort parat. Nein, das stimme nicht, was die Stadtverwaltung da behaupte: dass in der 3-Millionen-Einwohner-Stadt samt ihren Heerscharen von Tou­ris­t*in­nen schlicht zu wenige der weißen Wagen unterwegs seien. „Wir sind nicht zu wenige, der Verkehr ist einfach zu dicht; und außerdem fehlen öffentliche Verkehrsmittel“, behauptet er. Die Stadt solle erst mal diese Probleme lösen, dann seien ganz von selbst auch genug Taxis da.

Schon seit Jahren versucht der Bürgermeister, den immer kampfbereiten Taxifahrergewerkschaften das Ja zu neuen Lizenzen abzutrotzen. Gut 7.800 Lizenzen gibt es bisher, jeder Wagen ist aber bloß acht Stunden am Tag unterwegs. Jetzt hat die Stadt endlich die Zustimmung der Taxigewerkschaften zur Ausgabe von 1.000 neuen Lizenzen erreicht.

Nötig sind sie allemal. Nicht bloß die Gäste leiden unter dem Mangel, auch die Rö­me­r*in­nen selbst wissen ein Lied vom Missstand zu singen: dass jeder zweite Anruf bei einer der Taxizentralen nicht entgegengenommen oder nach ewiger Warterei mit der Auskunft beschieden wird: „Leider kein Wagen verfügbar.“

Dennoch sperrten die Fahrer sich jahrelang gegen die Aufstockung der Zahl der Fahrzeuge, mit der Behauptung, ihr sowieso schon schma­les Einkommen werde dann einbrechen. Und die Zahlen der Steuerbehörde scheinen ihnen recht zu geben. In Rom erklären sie beim Fiskus ein mageres Bruttojahreseinkommen von 15.000 Euro, macht 1.250 Euro pro Monat, brutto wohlgemerkt.

In Kontrast zu dieser Zahl steht, dass die Taxilizenzen auf dem freien Markt für Preise zwischen 130.000 und 160.000 Euro gehandelt werden. Ein Fahrer müsste zehn Jahre unterwegs sein, um die Lizenz abzuzahlen, ohne nur einen Cent für den Lebensunterhalt übrigzuhaben. Im Kontrast zur behaupteten Armut steht auch, dass das angebliche Lenkradproletariat in Rom nur aus Ita­lie­ne­r*in­nen besteht. Reporter einer TV-Sendung, unterwegs mit versteckter Kamera bekamen von den Tassisti andere Auskünfte, von Monatseinnahmen, die über 3.000 und im Dezember auch bei 9.000 Euro liegen. Kein Wunder, die Wagen sind immer voll ausgelastet.

Einen treuen Alliierten hatte der Berufsstand in der italienischen Rechten, die die Privilegien der Fah­re­r*in­nen immer verteidigte. Auch der Mann am Steuer, der behauptete, es gebe nicht zu wenige Taxis, ist keine Ausnahme. Klar habe er Giorgia Meloni gewählt, bekennt er stolz, „ihre Partei hat immer an unserer Seite gestanden“.