Neuer Nato-Generalsekretär Rutte: Eingekeilt zwischen Putin und Trump

Die Nato-Staaten ernennen Mark Rutte zum neuen Generalsekretär. Auf den Niederländer warten große Herausforderungen.

Portrait von Mark Rutte

Übernimmt den Posten des Nato-Generalskretärs in stürmischen Zeiten: der scheidende niederländische Premierminister Mark Rutte Foto: Remko de Waal/epa

BERLIN afp | Der Niederländer Mark Rutte wird neuer Generalsekretär der Nato. Die 32 Nato-Länder ernannten den scheidenden niederländischen Ministerpräsidenten am Mittwoch bei einem Treffen der Nato-Botschafter am Mittwoch in Brüssel einstimmig zum Nachfolger des Norwegers Jens Stoltenberg. Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten werden den 57-jährigen Rutte beim Gipfel von 9. bis 11. Juli in Washington in seiner neuen Rolle willkommen heißen. Übernehmen wird Rutte den Posten am 1. Oktober.

Rutte ist seit 2010 niederländischer Ministerpräsident und damit der am längsten amtierende Regierungschef des Landes. Die 32 Bündnisstaaten der Nato hatten sich lange nicht über einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Stoltenberg einigen können, dessen Mandat vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine mehrfach verlängert wurde. Der Norweger ist seit 2014 Generalsekretär der Nato.

Erst in der vergangenen Woche hatte Rumäniens Präsident Klaus Iohannis mit dem Rückzug seiner Gegenkandidatur den Weg für Rutte an die Spitze der Nato freigemacht. Stoltenberg würdigte seinen Nachfolger als „wahren Transatlantiker, starken Anführer und Brückenbauer“. Er wisse, dass er die Nato nach zehn Jahren im Amt in guten Händen verlasse, sagte der Norweger.

Was kommt auf Rutte zu?

Der 57-Jährige übernimmt den Posten in stürmischen Zeiten. Rutte muss die Ukraine-Hilfen mitorganisieren, Kriegsdrohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin kontern und die Allianz bei einem möglichen Wahlsieg des früheren US-Präsidenten Donald Trump im November zusammenhalten.

Wofür steht Rutte?

Aus Sicht großer Nato-Länder wie den USA und Deutschland steht er für Stabilität und Kontinuität. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ bereits im Februar erklären, der Niederländer sei mit seiner „immensen Erfahrung, seiner großen sicherheitspolitischen Expertise und seinem ausgeprägten diplomatischen Geschick“ ein „herausragender Kandidat“ für den Nato-Posten.

Welche Erfahrung hat der Niederländer?

Rutte kann fast 14 Jahre als Regierungschef der Niederlande vorweisen. Er suchte einen neuen Posten, seit seine liberal-konservative Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) die Parlamentswahlen im November gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders verloren hatte. In den Niederlanden gilt Rutte als „Teflon“-Mann, da er zahlreiche Krisen und Skandale überstand.

Welche Rolle spielen die Niederlande in der Nato?

Sie gehörten 1949 zu den Gründerländern der Allianz, die im Juli in Washington ihren Jubiläumsgipfel zum 75-jährigen Bestehen abhält. Rutte ist bereits der vierte Niederländer auf dem Posten des Generalsekretärs – nach Dirk Stikker von 1961 bis 1964, Joseph Luns von 1971 bis 1984 und Jaap de Hoop Scheffer von 2004 bis 2009.

Auf Betreiben Ruttes erfüllen die Niederlande in diesem Jahr knapp die Nato-Vorgabe, mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. Die Niederlande sind zudem federführend an der F-16-Koalition beteiligt, die Kampfjets an die Ukraine liefern will. Sie haben Kyjiw zudem mit Partnern ein Patriot-Luftabwehrsystem in Aussicht gestellt.

Welche Haltung vertritt Rutte gegenüber Putin?

Nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 verurteilte Rutte den Kreml-Chef als „brutal und gnadenlos“. Zuletzt sagte er: „Die Ukraine muss diesen Kampf gewinnen – für ihre Sicherheit und unsere.“

Zu den prägendsten Erfahrungen aus Ruttes Regierungszeit gehörte 2014 der Abschuss des Malaysia-Airlines-Flug MH17 über der Ostukraine, unter den insgesamt 298 Toten waren 196 Niederländer. Ein früherer russischer Geheimdienstchef wurde deshalb 2022 in den Niederlanden zu lebenslanger Haft verurteilt. Rutte warf Russland „eklatante Lügen und bewusste Desinformationskampagnen“ vor.

Wie steht Rutte zu Trump?

Wie auch Stoltenberg gilt Rutte als „Trump-Flüsterer“, der den Republikaner zu bändigen weiß. Als Trump den Europäern beim Nato-Gipfel in Brüssel im Juli 2018 wegen ihrer angeblich zu niedrigen Verteidigungsausgaben drohte, trug Rutte mit dazu bei, den US-Präsidenten zu besänftigen.

Viral ging zudem ein Video, in dem Rutte Trump widerspricht, als dieser behauptete, ein Handelsstreit zwischen der EU und den USA sei positiv für sein Land. „Nein, das ist nicht positiv, wir müssen uns einigen“, sagte Rutte bestimmt. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Februar sagte Rutte zur möglichen Wiederwahl Trumps Anfang November, die Europäer müssten mit jedem US-Präsidenten zusammenarbeiten, „der auf dem Tanzparkett ist“.

Was ist mit der Türkei und Ungarn?

Widerstand des Putin-nahen ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán gegen seine Kandidatur räumte Rutte zuletzt aus. Er sicherte ihm wie bereits Stoltenberg zu, dass Ungarn sich in der Nato nicht an Militärhilfen für die Ukraine beteiligen muss.

Den anfangs skeptischen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hatte Rutte bei einem Besuch im April überzeugt. Als dann auch noch der rumänische Präsident Klaus Iohannis seine Gegenkandidatur vergangenen Donnerstag zurückzog, war der Weg für Rutte frei.

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