Fluggast-Zahlen am BER: Durchstarten im flachen Winkel

Am Hauptstadt-Airport wird wieder mehr geflogen. Im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau sind es allerdings fast eine Million Passagiere pro Monat weniger.

Flughafenhalle, Schild "Eingang Check-in"

Hereinspaziert, es sind noch Plätze frei: Terminal 1 des BER Foto: IMAGO / Jürgen Ritter

BERLIN taz | „Die Zahl der Passagiere am Flughafen Berlin Brandenburg ist im ersten Halbjahr 2024 weiter gestiegen“ – so steht es in einer aktuellen Mitteilung des Hauptstadt-Airports. Von Januar bis Juni dieses Jahres seien 11,8 Millionen Fluggäste vom und zum BER geflogen. „Das sind 12 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.“

Das klingt nach einer guten Nachricht aus Sicht der Betreiber­, wenn auch nicht für die Umwelt. Doch die profitiert von der anderen Seite der Medaille: Der BER hat das Fluggastaufkommen vor Corona noch längst nicht wieder erreicht – pro Monat fliegen fast 1 Million Menschen weniger als zuvor.

So wurden im Juni laut der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) rund 2,34 Millionen Passagiere am BER abgefertigt. Das ist zwar mehr als im Juni 2023, im Vergleich mit dem Juni des Vor-Corona-Jahres 2019 ist es allerdings ein Minus von fast 30 Prozent: Damals flogen 3,26 Millionen Menschen von oder nach Tegel und Schönfeld – also 920.000 mehr als in diesem Jahr. Ähnlich sieht es beim Vergleich der Zahlen für das erste Halbjahr aus: 2019 waren es fast 17,5 Millionen Fluggäste, im laufenden Jahr knapp 12 Millionen – ein Minus von 32 Prozent.

Dabei hatte die Flughafengesellschaft in den Jahren vor der Pandemie der Klimakrise zum trotz immer auf ein kräftiges und stetiges Wachstum der Passagierzahlen gesetzt. Im Vergleich zu den alten Prognosen, die auch den früheren Wirtschaftsplänen zugrunde gelegt wurden, hinkt der BER also noch viel weiter hinterher.

An den übrigen deutschen Airports sieht die Entwicklung anders aus: So haben die beiden größten Flughäfen Frankfurt am Main und München nach eigenen Angaben 85 Prozent des Niveaus vor dem Covid-Einbruch erreicht.

Auch etliche der kleineren Flughäfen liegen in der Passagier-Aufholjagd vor Berlin-Brandenburg, und das schon länger: Im Jahresvergleich zwischen 2023 und 2019 kamen Leipzig/Halle auf 80 Prozent, Köln Bonn und Hamburg auf 78 Prozent und Düsseldorf auf 75 Prozent – der BER fertigte dagegen 2023 64 Prozent der Fluggäste ab, die 2019 an den beiden mittlerweile stillgelegten Flughäfen registriert wurden.

Vor-Corona-Niveau bis „Ende der 20er“

Wie kommt das? Sabine Deckwerth, die Sprecherin der FBB, verweist darauf, dass es sich bei Frankfurt und München um Hubs, also große Drehkreuze, handele. Die hätten sich nach der Pandemie schneller als andere deutsche Flughäfen erholt. „Grundsätzlich verläuft die ­Verkehrserholung in Deutschland deutlich langsamer als im restlichen Europa und liegt bei 76 Prozent gegenüber 2019“, so Deckwerth. Die FBB rechne damit, dass das Vor-Corona-Niveau am BER „Ende der zwanziger Jahre“ erreicht werde.

Besonders schmerzhaft ist – aus der Perspektive der FBB –, dass die Fluggesellschaften ihr Angebot an Inlandsflügen ­drastisch gekürzt haben. ­Easyjet etwa bedient vom BER aus gar keine deutschen Ziele mehr. Vorstandschef Johan Lundgren begründet das damit, dass die Standortkosten in Berlin „mit die höchsten in Europa“ seien.

Auch die FBB selbst sieht die am BER für Starts und Lan­dungen fälligen Entgelte kritisch: Im Mai teilte sie anlässlich des Geschäftsberichts für 2023 mit, der innereuropäische Flugverkehr leide unter „in Deutschland nicht wettbewerbsfähigen Standortkosten“.

Dennoch sieht sich die Flughafengesellschaft laut Sabine Deckwerth „wie geplant auf dem Weg zur finanziellen Selbstständigkeit. Mit der Halbjahresbilanz sind wir auf einem guten Weg.“ 2023 sei das operative Ergebnis erstmals höher als vor der Coronapandemie gewesen, für das laufende Jahr rechne man wegen des erwarteten Verkehrswachstums mit einer weiteren Steigerung. Durch die exorbitanten Baukosten und die damit verbundenen Schulden der FBB ergab sich 2023 jedoch trotzdem ein Konzernjahresfehlbetrag von 212,8 Millionen Euro.

„Klimapolitisch natürlich richtig“

Am Ende haften die Gesellschafter, also Berlin, Brandenburg und der Bund, für die finanzielle Schieflage der FBB – was die verkehrspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, mit Sorge erfüllt. „Aus haushalterischer Sicht muss der BER ein neues Businessmodell entwickeln, um aus den roten Zahlen zu kommen“, so die Politikerin, für die der Rückgang der Inlandsflüge „klimapolitisch natürlich richtig“ ist.

Kapek sieht die Flughafenbetreiber auch mit in der ­Verantwortung für die lahmende Erholung des Airports: Immer wieder machten Passagiere schlechte Erfahrungen bei der Abfertigung. „Die Tatsache, dass ich mir als Berlinerin nicht sicher sein kann, ob mein Gepäck vernünftig gemanagt wird, wäre schon Grund genug, mich gegen einen Flug vom BER zu entscheiden.“

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