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: „Wir haben die ganze Stadt und die Nachbarschaft auf dem Zettel“

Das Kulturzentrum „Zinnschmelze“ in Hamburg-Barmbek feiert sein 40-jähriges Bestehen

Interview Robert Matthies

taz: Frau Engler, 40 Jahre ist für ein Kulturzentrum nicht ganz im Zentrum ein stolzes Alter, herzlichen Glückwunsch! Und der Zinnschmelze geht es offenbar gut. Was ist denn Ihr Erfolgsrezept?

Sonja Engler: Typisch für uns sind unsere Haltung und unser Arbeitsansatz: dezentrale Kultur nicht nur für den Stadtteil. Uns kennen Leute aus der ganzen Stadt, weil wir gut erreichbar sind. Unsere Partyformate oder auch unsere interkulturellen Veranstaltungen ziehen Menschen aus ganz Hamburg an.

Zugleich macht die Zinnschmelze sehr viel im Stadtteil. Sie selbst kümmern sich um Vernetzung. Worum geht es da?

Barmbek war rund 20 Jahre lang Sanierungsgebiet. Da gab es viele Themen, die wir bearbeitet und begleitet haben: mit Beteiligungsformaten, Aktionen und Informationen, kombiniert mit künstlerischen Aktivitäten. Wir vernetzen Einrichtungen untereinander, die in Barmbek arbeiten. Und wir fragen: Was gibt es für Themen, die für die Menschen im Stadtteil relevant sind? Welche Communitys haben wir? Wie ist der Zusammenhalt? Was bedeutet Klimawandel in Barmbek? Wir beziehen also auch große Themen auf den Stadtteil und laden ein, ins Gespräch zu kommen oder auch Aktionen dazu zu machen. Wir haben beides auf dem Zettel, die ganze Stadt und die Nachbarschaft.

In den 1980ern war es in Barmbek trist, Kultur gab es keine, das Gebäude der Zinnschmelze stand leer. Was ist 1984 passiert?

Foto: privat

Sonja Engler

58, Kulturwissenschaftlerin, ist seit 2003 in der Zinnschmelze, seit 2015 Geschäftsführerin und kümmert sich um Stadtteilvernetzung.

Das Gelände war eine Brache und eine bunte Mischung aus künstlerisch Aktiven, Sozialpädagog*innen, Theaterleuten und Leuten aus dem Musikbereich haben es gesehen und gesagt: Hier fehlt etwas, wir wollen selbst aktiv sein und einen Ort für uns schaffen, aber eben auch für die Nachbarschaft. Dann haben wir uns diese winzige Zinnschmelze noch geteilt mit dem Verein Theater Jugend Hamburg, der heute unter dem Namen Theaterdeck weiterhin im Haus ist. Wir hatten einen Raum im Erdgeschoss für Veranstaltungen und Kneipe.

Der Umbau vor zehn Jahren war dann ein großer Erfolg, oder?

Ja, das war auch eine Maßnahme im Sanierungsgebiet, die Stadt hat Geld dazugegeben und das war für uns ein Quantensprung. Jetzt haben wir zwei Räume und einer davon ist nur für Veranstaltungen da. Vorher war alles Längerfristige, zum Beispiel Kurse, unmöglich.

Und der nächste Schritt heißt mehr Inklusion? Auf Ihrer Internetseite wird man sofort auf die Leichte Sprache aufmerksam.

Diskussion und Empfang „40 Jahre Zinnschmelze: Soziokultur mit Blick in die Zukunft“: heute, 17 Uhr, Zinnschmelze, Maurienstraße 19, Hamburg; Infos: www.zinnschmelze.de

Wir sind schon seit dem Umbau barrierefrei, jetzt recherchieren wir, ob wir eine Lösung für eine Hörschleife im Saal finden. Wir wollen für seheingeschränkte Menschen etwas verbessern. Wir sehen da viel Nachholbedarf und wollen Inklusion. Wir begreifen uns als offenes Haus für wirklich alle, für jedes Alter, für jede Gruppe. Wir wollen Künst­le­r*in­nen einladen und nicht nur sagen: Ihr dürft kommen, wir sind barrierefrei – sondern da gibt es auch Kunstformen, die bei uns noch gar nicht stattgefunden haben.

Zur Feier diskutieren Sie über die Zukunft von Soziokultur. Was ist da wichtig?

Aktuell geht es um Demokratie und ­Zusammenhalt, um eine respektvolle Streitkultur, darum, Begegnungsräume offenzuhalten und anzubieten; Menschen einzuladen und so ein gesellschaftliches Miteinander möglich zu machen.