Europäischer Klubfußball: Wetten auf Virtus
Während die EM noch läuft, beginnt die Quali für die Europapokalwettbewerbe. Ein Blick in die Untiefen des Fußballs.
Er hat das erste Tor nach dem Eröffnungsspiel der EM geschossen. Kwadwo Duah bringt damit die Schweiz gegen Ungarn in Führung. Der Mittelstürmer spielt bei Ludogorez Rasgrad, dem bulgarischen Serienmeister, meist im Schatten der großen Aufmerksamkeit. Heute zum Beispiel geht es in der ersten Qualifikationsrunde der Champions League gegen Dinamo Batumi aus Georgien. Ein großes Spiel für die ganz Kleinen.
Wobei Rasgrad kein ganz unbekannter Verein ist, schließlich haben sie sich einmal sogar für die Gruppenphase des Champions League qualifiziert. 2014/15 durfte sich der Klub mit Real Madrid und Liverpool messen, nachdem er sich in den entscheidenden Playoffs gegen Steaua Bukarest durchgesetzt hatte. Steaua Bukarest, das den Vorgängerwettbewerb der Champions League 1986 gewonnen hat, ist auch in der ersten Quali-Runde dabei.
Der Verein heißt jetzt aber FCSB, Grund dafür ist ein verlorener Rechtsstreit gegen das rumänische Verteidigungsministerium um die Rechte am Namen Steaua. Der ehemalige Klub der Armee gehört heute einem Besitzer mit durchaus merkwürdigen Ansichten. So wollte er einmal verhindern, dass ausländische Spieler im Kader stehen. Später verbot er allen Spielern und Mitarbeitenden, sich gegen Corona zu impfen.
Der Gegner von FCSB beim Quali-Auftakt ist Virtus Acquaviva aus San Marino. Das sind echte Freizeitkicker, keine Profis mit Europapokal-Ambition. Virtus ist gerade zum ersten Mal überhaupt Meister geworden in dem 34.000-Einwohner-Land, welches nach der Uefa-Fünfjahreswertung mit Abstand die schlechteste Fußballnation ist – deutlich hinter Gibraltar. Für ihren Sieg gibt’s eine verdammt hohe Wettquote, das steht fest.
Der Weg für Virtus ins internationale Geschäft ist also noch weit. Zwei Zwerge sind ihn schon gegangen: die Lincoln Red Imps aus Gibraltar und KI Klaksvik von den Faröern. Die beiden Underdogs konnten sich beide bereits in die Gruppenphase der Conference League durchkämpfen.
In den Playoffs für die Conference League gewann Lincoln nach Verlängerung gegen Riga – eine wahre Fußball-Sensation! In der Gruppenphase holten sie dann keinen Punkt, schossen aber immerhin zwei Tore.
Ganz anders KI Klaksvik, die vor einem Jahr plötzlich zu Medienlieblingen avancierten. Denn der sensationellen Qualifikation für die Conference League folgte ein Unentschieden und sogar ein Sieg in der Gruppenphase! Ein Blick in die Untiefen des europäischen Fußballs kann sich also durchaus lohnen. Große Fußballgeschichten schreibt nicht nur die EM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS