Schwarzverkauf von EM-Tickets: Viele Freunde des freien Markts
Zur EM gibt es Tickets nur noch elektronisch, angeblich zur Eindämmung des Schwarzmarkts. Doch der funktioniert prima wie eh und je.
I n Düsseldorf auf dem Weg zum Stadion habe ich in der U-Bahn ein paar Zahlen zum Schwarzmarkt aufgeschnappt. In Stadionnähe, so sprach ein Mann vor der Partie zwischen Frankreich und Belgien in sein Mobiltelefon, seien die Preise schon recht hoch. Sie lägen derzeit zwischen 300 und 400 Euro. In der Stadt könne man schon für 250 Euro Tickets bekommen. Er selbst hatte auch etwas von der begehrten Ware über. Seinen Gesprächspartner wies er an, sich die Uefa-App für mobile Tickets herunterzuladen, dann schicke er ihm einfach schnell eines rüber.
Eintrittskarten gibt es bei dieser EM nur elektronisch. Und wie der Bayerische Rundfunk recherchierte, übermitteln die Karteninhaber automatisch in Echtzeit ihre Bewegungsdaten an die Uefa weiter, sofern die Häkchen bei den Einstellungen nicht anders gesetzt wurden. Die Uefa soll wiederum die Polizei mit den Daten füttern, um deren Einsatzplanung zu vereinfachen. Als der europäische Fußballverband vor dem Turnier die Vorteile der nur digital erhältlichen Tickets hervorkehrte, hatte man die Erwähnung dieses Details in der Aufzählung vergessen. Von mehr Nachhaltigkeit war die Rede und davon, den Schwarzmarkt so besser eindämmen zu können.
Ob zweiteres gelungen ist, darf bezweifelt werden. Wie in alten Zeiten sind vor den EM-Stadien und in den Innenstädten mit Beginn der K.o.-Phase immer mehr Menschen mit braunen Pappschildern zu sehen, auf denen in verschiedenen Sprachen der Wunsch nach Eintrittskarten festgehalten ist. Von der Pappe aus ist der nötige Sprung in die digitale Welt allerdings nur ein ganz kleiner.
Das Geschäft brummt
Auf dem virtuellen Marktplatz der Zwischenhändler brummt das Geschäft. Bei einem großen Unternehmen, das wie die Uefa seinen Sitz am Genfer See in der Schweiz hat, ist das gut zu beobachten. Das Halbfinale zwischen England und den Niederlanden, so könnte man denken, ist doch längst ausverkauft. Aber nein, auf der Website des Zwischenhändlers gibt es reichlich Karten für eben einen gewissen Preis. Zwischen 600 Euro und 3.500 Euro musste man am Dienstag pro Ticket zahlen. Teurer wird es, wenn man unbedingt sechs Plätze nebeneinander haben möchte. Aber möglich scheint fast alles. Dass hinter diesen Angeboten organisierte Strukturen stecken, ist geradezu offensichtlich.
Wer beim Fest der Völkerverständigung live vor Ort dabei sein möchte, sollte jedoch besser nicht an der Supermarktkasse arbeiten. So funktioniere eben der freie Markt, heißt es aus der Zentrale der Zwischenhändlerplattform am Genfer See. Ein paar Kilometer weiter bei der Uefa gibt man sich empört und will juristisch dagegen vorgehen.
In den Geschäftsbedingungen hat der Verband doch extra für den Fall, dass ein Ticketinhaber verhindert ist, erklärt, dieser solle seine Karte an „einen Freund oder ein Familienmitglied“ weitergeben. Von den vielen Freunden des freien Markts ist man nun tatsächlich überrascht.
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