Kommentar von Dominic Johnson zum Start der Labour-Regierung in Großbritannien
: Neue Impulse aus London

Großbritanniens neue Labour-Regierung verschwendet keine Zeit. Schon am Tag nach seinem Amtsantritt gibt es klare Worte vom neuen Premierminister Keir Starmer und vom neuen Außenminister David Lammy. Der Ruanda-Flüchtlingsdeal ist „tot“. Mit Europa gibt es einen „Reset“. Der Außenminister fliegt schon am ersten Tag im Amt nach Berlin. Die Briten sind wieder da.

Es geistert jetzt in Europa eine gefährliche Versuchung herum: Könnte Großbritannien vielleicht den Brexit rückgängig machen? Nichts wäre fataler als dieses Gedankenspiel. Labour hat in seinem Wahlprogramm einen Wiederbeitritt zur EU oder auch nur zu Binnenmarkt oder Zollunion kategorisch ausgeschlossen, nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft. In Umfragen gibt es mehrheitlich Kritik am Brexit, aber keine Mehrheit für einen Wiederbeitritt. Jetzt will man das Verhältnis zur EU besser gestalten: mehr Freizügigkeit, weniger Handelsbürokratie.

Daran sollte gearbeitet werden. Aber jede auch nur so hauchdünne Suggestion, den Brexit insgesamt aufweichen zu wollen, würde die Geister wecken, die nur darauf warten, Labour Wählertäuschung und Verrat vorwerfen zu können. Es würde die britische Rechte stärken, Labour in die Defensive drängen, Großbritannien zerreißen und die EU von den eigentlichen Problemen ablenken.

„Die oberste Pflicht jeder Regierung ist Sicherheit und Verteidigung“, sagte Keir Starmer bei seiner ersten Pressekonferenz am Samstag. Der neue Außenminister hat das russische Putin-Regime nach seinem Amtsantritt als Faschismus gebrandmarkt, sich zur Ukraine bekannt und besucht jetzt als Erstes Deutschland, Polen und Schweden. Das ist ein klares Signal der Entschlossenheit kurz vor dem Nato-Gipfel in den USA, auf den ein Europagipfel in Großbritannien folgen wird. Es geht London um nicht weniger als eine neue europäische Sicherheitsarchitektur.

Darüber hinaus verspricht die neue Labour-Regierung nicht nur einen „Reset“ mit Europa, sondern auch einen „Reconnect“ mit dem „globalen Süden“, der den Briten in vieler Hinsicht näher steht. Außenminister David Lammy stammt aus Guyana, Justizministerin Shabana Mahmood aus Kaschmir. Bei den Tories stammte Premierminister Rishi Sunak aus Indien, Handelsministerin Kemi Badenoch aus Nigeria, Innenminister James Cleverly aus Sierra Leone, um nur einige zu nennen.

Von der britischen Multikulturalität und Weltoffenheit kann Europa lernen. Eine humanere Flüchtlingspolitik auf beiden Seiten des Ärmelkanals und eine bessere Akzeptanz von Migration? Das wäre ein „Reset“ für Europa, der den Namen verdient.