20 Prozent der Mitarbeitenden entlassen: Erdrutsch beim WWF

Der Umweltverband entlässt nach Jahren des Wachstums ein Fünftel seiner Belegschaft. Die Organisation ist nicht unumstritten.

Klimaschutzaktivist:inne vor dem Brandenburger Tor in Berlin.

Eine Stunde Dunkelheit: Klimaschutzaktion „Earth Hour“ des WWF in Berlin im März 2024 Foto: Andreas Friedrichs/imago

BERLIN taz | Sie sei „geschockt“, erklärte eine Mitarbeiterin, die Nachricht sei „unvermittelt“ gekommen: Die Umweltorganisation WWF entlässt in Deutschland 20 Prozent seiner Mitarbeiter. Das teilte die Geschäftsführung auf einer Mitarbeiterversammlung am Donnerstag mit. Dem Vernehmen nach geht es um 80 Stellen, die gestrichen werden sollen.

„Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit von Biodiversitäts- und Klimakrise ist es unabdingbar, dass der WWF die Wirksamkeit seiner Arbeit noch weiter erhöht“, erklärte WWF-Sprecher Roland Gramling. Notwendig sei eine „Priorisierung sowohl im regionalen wie thematischen Projektportfolio, um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln weiterhin effizient und verantwortungsvoll arbeiten zu können.“ Die Entlassungen seien auch „eine Reaktion auf eine komplexe Situation auf dem Spendenmarkt“, wie Gamling formuliert. Die Spendenbereitschaft sei generell rückläufig.

Laut aktuellem Jahresbericht unterstützen den WWF Deutschland rund 350.000 Förder:innen. Im Geschäftsjahr 2017/18 waren es noch 600.000. Zuletzt lag der Jahresetat des WWF bei 124,7 Millionen Euro, womit er zu den größten Umweltvereinen Deutschlands zählt. Zum Vergleich: Der BUND kann sich auf die Unterstützung von 675.174 Menschen verlassen, sein Etat lag zur gleichen Zeit bei 71 Millionen Euro. Die WWF-Geschäftsstelle befindet sich in Berlin, es gibt Büros in Hamburg und Frankfurt/Main, dazu kommen diverse Projektbüros, etwa in Dessau, Erfurt, Husum, Ratzeburg, Stralsund und Weilheim. 490 Mit­ar­bei­ter:n­nen hatte der WWF Deutschland nach eigenen Angaben zuletzt, einige davon im Ausland.

Ein Teil seiner Finanzen besorgt sich der WWF dadurch, dass er mit Konzernen zusammenarbeitet. Beispielsweise mit Edeka, was der WWF als „Partnerschaft für Nachhaltigkeit“ verkauft: Der Lebensmittelhändler druckt gegen Gebühr das WWF-Logo auf seine Produkte, die dadurch den Anschein erwecken, dass ihr Kauf zum Umweltschutz beiträgt. Das Spiegel beschuldigte den WWF mit dieser Praxis „eigene Standards zu unterlaufen“ und gegen „große Spenden und kleine Zugeständnisse die Lizenz zur Zerstörung der Natur“ zu erteilen. Selbst Konkurrenten wie Greenpeace kritisierten diese Form, Arbeit für die Natur so zu finanzieren: Der WWF-Praxis fehle „es an Transparenz und Ehrlichkeit“.

Konsumkritik und Überangebot

Auch mit Konkurrent REWE hatte der WWF zusammengearbeitet. Wer für mehr als 10 Euro eingekauft hatte, bekam Päckchen mit fünf Stickern dazu: 180 verschiedene Motive gab es 2011, aufkleben könnte man diese in einem Sammelalbum, das 2,50 Euro kostete. Eine Million Sammelalben wurden gedruckt, mindestens 180 Millionen Sammelbilder – und zwar in China. Zur REWE-Aktion gab es jede Menge Devotionalien: das Tierglas-Set, Stückpreis 1,99 Euro, WWF-Platzdeckchen im 2er-Set zu 1,99 Euro, der WWF-Panda – „total flauschig“ – zum Aktionspreis von 8,99. Etwa eine halbe Million Euro hat der WWF damit eingenommen. Gleichzeitig gab er Tipps zum klimafreundlichen Konsum. Zum Beispiel: „Achten Sie auf wenig Verpackung, kaufen Sie bevorzugt Recycling-Produkte.“

Ob der WWF wegen der Kritik an solchen Praxen sein Fundraising ändern wird, darüber konnte Sprecher Roland Gramling keine Auskunft geben. „Zunächst laufen die WWF-Aktivitäten geordnet weiter“, sagte er der taz. Allerdings erklärt der WWF-Sprecher auch, das strukturelle Problem, dass den WWF plagt: „Die über ein Jahrzehnt gültige Wachstumsmaxime des WWF Deutschland hat zu einem starken Ausbau der öffentlich geförderten Projektarbeit geführt. Das war ein klarer Auftrag der ehemaligen Geschäftsleitung, welcher jedoch mit ansteigenden Folgekosten verbunden war.“

Seit November vergangenen Jahres hat der WWF einen neuen Vorstand. Dieser habe nach seiner Bestandsaufnahme entschieden, „die Organisation weg von einer Wachstumsmaxime hin zu einer langfristigen Entwicklungsperspektive zu führen“, so Gramling. Das ziehe auch personelle Konsequenzen nach sich, „wenn beispielsweise ein Projekt abgegeben wird oder der WWF Deutschland sich aus einzelnen Regionen zurückzieht.“

Ist nun auch bei anderen deutschen Umweltverbänden mit einer Radikalkur zu rechnen? Nach dem Spendenmonitor gaben die Deutschen im vergangenen Jahr zwar 6 Prozent weniger Geld als 2022 – 5,8 Milliarden Euro. Der Anteil für Umwelt- und Naturschutz blieb aber gleich, bei 17,6 Prozent. Im Tierschutz stieg der Prozentsatz sogar leicht, auf 25 Prozent. Nur die Kinderhilfe und die Katastrophenhilfe bekommen prozentual ein paar Zehntelprozent mehr.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.