Untergang am Hafenplatz

Unfertige Projekte, Ermittlungen wegen Betrugs: Trotzdem sollte Immobilienplayer Ioannis Moraitis ein Großprojekt in Kreuzberg realisieren. Nun aber wird seine Seriosität angezweifelt

Großprojekt oder große Pleite? Das Quartier Am Hafenplatz zwischen Mendelssohn-Bartholdy-Park und Anhalter Bahnhof Foto: Wolfgang Borrs

Von Erik Peter

Eins der größten innerstädtischen Neubauprojekte steht vor dem Aus. In dem Quartier Am Hafenplatz zwischen Mendelssohn-Bartholdy-Park und Anhalter Bahnhof wollte ein Immobilieninvestor mehr als 900 Wohnungen und noch mehr Raum für Gewerbe errichten und dafür die bestehenden Gebäude – Plattenbauten aus den 1970er Jahren – abreißen. Doch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der das Bauvorhaben beschließen muss, namentlich Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne), hat sich kürzlich per Mitteilung von dem Projekt und dem Investor distanziert. Aus gutem Grund.

Hinter den Plänen steht mit Ioannis Moraitis ein 42-jähriger Bauunternehmer, der mit seinem in Berlin ansässigen Unternehmen Hedera Bauwert an zahlreichen Immobilien­projekten vor allem in Berlin und Potsdam beteiligt ist. Auf seiner Website verkauft er sich als Macher gegen die Wohnungskrise, propagiert Wohneigentum als Lösung. Einst hieß seine Firma Gekko Real Estate, wie Gordon Gekko, der skrupellose Finanzkapitalist aus dem Film „Wall Street“. Schon 2015 galt er dem Magazin Zitty als einer der „bissigsten Haie im Becken“. Damals hatte Moraitis den Gemüseladen Bizim Bakkal in der Kreuzberger Wrangelstraße vor der Tür gesetzt – und damit un­freiwillig zur Gründung der Initiative Bizim Kiez beigetragen.

Zu Moraitis’ Imperium zählen mehr als 80 Gesellschaften, mindestens die Hälfte davon mit dem Namen „hb Wohnimmobilien GmbH“. Ob „Errichtung hochwertiger Neubauprojekte“ oder „Modernisierung von Altbauten und denkmalgeschützter Bestandsimmobilien“ – stets sind die Ankündigungen salbungsvoll: Auf schicken Websites werden Eigentumswohnungen zum Verkauf angepriesen und damit geworben, wie viel Prozent der Wohnungen bereits verkauft sind. Doch die Liste an nur halb fertiggestellten Bauprojekten ist lang. Unfertige Projekte gibt es etwa in der einstigen Bronzegießerei in Friedrichshagen und der Havelberger Straße in Moabit, bei Neubauprojekten in der Cranachstraße in Schöneberg oder der Saßnitzer Straße in Schmargendorf. Warum das so ist, konnte Hedera auf Anfrage der taz binnen drei Tagen nicht sagen.

Die Geschädigten sind die Wohnungskäufer:innen, die zwar schon Raten bezahlt und Kredite aufgenommen haben, aber nicht einziehen können oder auf Baustellen leben müssen. Viele Geschädigte haben sich zusammengeschlossen. Betroffenen sind laut Berliner Zeitung auch „Baufirmen, Handwerker und Ingenieure“, die davon berichten, von Moraitis’ Firmen nicht bezahlt worden zu sein. Der Name ihrer Chat-Gruppe: „Moraitis Albtraum“. Manche von ihnen haben ihr Geld eingeklagt, einige Woh­nungs­käu­fe­r:in­nen einen Insolvenzantrag gegen Moraitis gestellt – bislang ohne Ergebnis.

Viele der Projekte liegen seit Jahren brach, doch bis zuletzt galt Moraitis der Stadt als Geschäftspartner. So liefen bis vor Kurzem Gespräche mit dem Bezirksamt über die Abriss- und Neubaupläne am Hafenplatz, auch Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) war aufgeschlossen. Doch das ist vorbei. Vergangene Woche teilte der Stadtrat mit: „Meine Gespräche ergaben, dass das Vertrauen vieler Beteiligter in die Hedera Bauwert derzeit stark reduziert ist.“ Eine Kooperation mit Moraitis’ Firma sei „unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht möglich“. Schmidt warf ihm zudem vor, die Häuser am Hafenplatz vergammeln zu lassen und dies als „Druckmittel“ einzusetzen, damit die Bezirksverordnetenversammlung den hochtrabenden Plänen zustimmt.

Die Hedera Bauwert wiederum hält an dem Projekt fest: Ziel sei es, „ein Wohnquartier mit deutlich mehr Wohnraum auf modernem Stand zu schaffen“. Über die Mitteilung des Bezirksamtes sei man „mit dem Bezirk im Austausch“. Man sei „zuversichtlich, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis vollumfassend nach Ausräumung jeglicher Vorwürfe wiederhergestellt und das Projekt wie geplant umgesetzt werden kann“.

Wahrscheinlich ist das nicht: Denn zu den Grundbedingungen gehörte stets, dass alle bisherigen Mie­te­r:in­nen bezahlbare Neubauwohnungen auf dem Gelände erhalten, so wie es Hedera auch weiterhin als Plan ausgibt. Doch der dafür vorgesehene Kooperationspartner, die städtische Gewobag, die noch im Mai ihre Interessensbekundung mit Moraitis abgegeben hatte, will davon nichts mehr wissen. Auf taz-Anfrage heißt es: „Die Gewobag ist nicht Projektbeteiligte.“ Und: „Generell kooperieren wir ausschließlich mit seriösen und verlässlichen Projektpartnern.“ Eine Zusammenarbeit mit Moraitis sei „nicht geplant“.

Eine Kooperation sei „unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht möglich“

Für die derzeitigen Be­woh­ne­r:innen, darunter auch viele Geflüchtete, bedeutet das aber auch weiter Ungewissheit. Sie sind Teil einer Spekulationsmasse. 2021 wurde das Filetgrundstück unweit des Potsdamer Platzes für, so schreibt es die Berliner Zeitung, weit mehr als 100 Millionen Euro gekauft, mutmaßlich in einem Share-Deal. 89,9 Prozent der Anteile übernahm die Gamma Invest, die zum Moraitis-Imperium gehört, den Rest eine Firma, deren Geschäftsführerin auch für Moraitis arbeitete. Die Konstruktion half womöglich, eine Grunderwerbsteuer von mehreren Millionen Euro zu umgehen. Hedera selbst will zu „Einzelheiten des Erwerbs keine Auskunft erteilen“.

Geld für den Grundstückskauf und andere Projekte der Hedera Bauwert oder verschiedener Untergesellschaften lieh sich Moraitis vom Hochrisiko-Fonds Verius mit Zinsen von bis zu 15 Prozent; laut Handelsblatt insgesamt 127 Millionen Euro. Der Fonds geriet in Schieflage, stand sogar vor der Zwangsliquidation. Eine Rückzahlung von Moraitis, die für 2023 geplant war, sei verschoben worden. Die Zeitung berichtete im Dezember, dass eine Tranche von 23 Millionen Euro, die an Verius gehen sollte, „durch den Verkauf eines weiteren Objektes erfolgen sollte“. Hedera teilt unterdessen mit, es bestünden „keine Störungen in Bezug auf das ­Vertragsverhältnis mit der Verius“.

Um Moraitis’ Finanzen geht es derzeit auch bei einem Ermittlungsverfahren der Hamburger Staatsanwaltschaft. Gegen ihn und sieben weitere Beschuldigte werde wegen des Verdachts des Betrugs, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung ermittelt. Zusammen sollen sie mit gefälschten Rechnungen und Belegen die Auszahlung eines Privatkredits in Höhe von 4,2 Millionen Euro bei einer Hamburger Bank erwirkt haben. Laut Handelsblatt soll ein gefälschter Kontoauszug mit einem Bankguthaben von einer Million Euro als Sicherheit eingereicht worden sein. Die Zweifel an der Seriosität von Moraitis dürften vorerst bleiben.