kunstraum
: Das pflanzliche Sein des Sommers

Anna Steinert, „Ineinander Leben I“, 2024, Oil, oil sticks on canvas, 150 x 200 cm Foto: Courtesy the artist and Galerie Tanja Wagner

„Was am Tiefsten in der Welt liegt“ nennt Anna Steinert ihre zweite Einzelausstellung bei Tanja Wagner und das lässt vermuten, dass sie nicht das Alltägliche, Offensichtliche interessiert, sondern Grundlegendes. In ihrem aktuellen Werkzyklus bezieht sie sich auf den italienischen Philosophen Emanuele Coccia, der Bäume und Pflanzen als Pioniere sieht, die unsere Welt erschaffen haben.

Sie sind die großen Alchemisten unserer Welt, die mithilfe des Sonnenlichts aus Wasser und Kohlenstoff nahrhaften Zucker gewinnen und dabei Sauerstoff freisetzen. Als atmende Tiere sind wir ihre Geschöpfe. Wenn wir uns also der Welt der Pflanzen mit neuem Respekt und Verständnis nähern wollen, dann müssen wir atmend eintauchen in „Die Wurzeln der Welt“, wie Coccias Essay heißt, in dem er im Bild des Eintauchens eines der Grundmerkmale pflanzlichen Seins festhält.

Es ist anzunehmen, dass Anna Steinert diesen Exerzitien gefolgt ist. Sie ist eingetaucht, in das pflanzliche Sein des Sommers. Jedenfalls möchte man das vermuten, wenn man sieht, in welcher Farbenpracht und -breite ihre Bilder schwelgen. Abstraktionen, in denen sie wie in „Jene Natur, die wir selbst sind III“, vorwiegend mit Ölkreide, hier und da aber auch mit Ölfarbe, einfache weiße, gelbe, schwarze, orange und violette Kreise auf blauen Grund setzt. Die vertikalen Bahnen mit Orangerot, die in „Ineinander Leben I“ auf ein Grün stoßen, das dann ins Blaue übergeht, und die weiteren abstrakten Formen in Blau, Gelb und Grün, vor allem aber die horizontalen Farbverläufe am oberen Bildrand lassen dann an eine Sommerlandschaft denken.

Anna Steinert: Was am Tiefsten in der Welt liegt. Galerie Tanja Wagner, bis 2. August, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Pohlstr. 64

Da dies aber alles mit einfachen Formen und einem klaren, satten Farbauftrag geschieht, ist der Bezug nicht der Impressionismus als überlegene Oberflächenkunst. Vielmehr taucht Steinert in ihren Bildern tatsächlich in das sommerliche Sein der Pflanzen ein. Ihre Bilder blühen. Brigitte Werneburg