In Schockstarre vor der Uefa

Die Hamburger Linke kritisiert, dass die Stadt sich von der Uefa über den Tisch ziehen lässt. Doch die Schockstarre vor dem Großinvestor hat in Hamburg Tradition. Widerstand ist nur in Bremen zu finden

Keine Kosten und Mühen gescheut: Container-Installation zur EM im Hamburger Hafen Foto: Gregor Fischer/dpa

Von Friederike Gräff

Die EM nimmt ihren Lauf und derzeit interessiert die Leute vor allem die Frage, ob die Spanier im Viertelfinale Gazpacho aus der deutschen Mannschaft machen oder ob der Videoassistent wieder das Schlimmste verhindert. Trotzdem oder gerade deshalb zeigt die Hamburger Linke zur EM-Halbzeit auf den ökonomischen Überbau: „Deutschland zahlt, die Uefa kassiert“, sagt Heike Sudmann, die sportpolitische Sprecherin der Partei.

Hamburg, wo fünf Spiele ausgetragen werden, soll 30 Millionen dafür bezahlen. Der Reingewinn der Uefa soll bei 1,7 Milliarden liegen. Von den Kosten der ausrichtenden Städte für Sicherheit, Fan-Zonen und Stadienherrichtung zahlt die Uefa – nichts.

Was bekommen Hamburg – und die übrigen deutschen EM-Städte – für ihre Mühe? Darauf gibt es zwei Antworten, die interessanterweise gleichermaßen vage sind. Die eine ist die immer wieder bemühte Vitalitätsspritze durch die anreisenden Fans, die Geld in die Kassen von Gastronomie und Hotels spülen. Die zweite ist das Versprechen der Uefa, die Einnahmen an ihre Mitglieder weiterzureichen, damit diese – ja was eigentlich tun?

Darüber ist bislang wenig zu erfahren. Die EM sei ein Projekt „auch und vor allem für die Breite des Fußballs in Deutschland, für unsere rund 25.000 Amateurvereine“, hat der DFB-Präsident zur deutschen Bewerbung gesagt. Bleibt abzuwarten, wie viel der Uefa-Ausschüttung am Ende bei der Basis bleibt und wer dann noch ein kritisches Auge darauf wirft außer ein paar nörgeligen Sportjournalist:innen.

Aber die interessante Frage stellt sich vorher, nämlich: Ist es angemessen, dass Hamburg 30 Millionen und die deutschen Spielstädte insgesamt rund 260 Millionen Euro als Finanzspritze für Gastronomie, Hotellerie und DFB ausgeben? Und, mindestens so interessant: Wie gut hat man mit der Uefa verhandelt? Nach dem, was man hört: gar nicht. Stattdessen ging es darum, nachzuweisen, dass man deren Bedingungen prontissimo erfüllt.

Auf Bundesebene hat man mal eben der Uefa großzügig Steuern erlassen, schließlich konkurrierte man mit der Türkei, die das Gleiche plus mietfreie Überlassung der Stadien anbot. Nun ist die Regierung bei der Herausgabe der Details des Deals so knauserig, dass der Spiegel gerade vor Gericht auf die Herausgabe klagt. Auf Ebene der sogenannten Host Cities passiert das Gleiche: wer bei der Uefa punkten will, beeilt sich, deren Forderungen zu erfüllen.

Von Pillepalle wie den genormten Sitzschalen bis hin zu Nicht-Pillepalle: In den nicht-kommerziellen Fanmeilen werden nur die Getränke der Sponsorenfirmen verkauft, darunter Coca Cola, bei denen man es mit dem Etikett Nachhaltigste EM aller Zeiten dann wohl etwas weniger eng sieht. Auch gegen die Demo-Bannmeile von 500 Metern jenseits der Stadien hat in Hamburg jenseits der Linken niemand Einwände gehabt.

Die Kleinmütigkeit gegenüber der Uefa erinnert zumindest in Hamburg an die Demutsstarre, die die Stadt gegenüber allem an den Tag legt, was Investor heißt. Warum eigentlich, wenn sie dann keine Steuern zahlen? Es ist ein sonderbarer Kinderglaube an osmotisch wirkende Kräfte: Wenn da irgendwo Geld ist, dann wird es auch bei anderen landen. Ein Kinderglaube, der sich selbst genügt, da braucht es keine pingeligen Berechnungen: Das Stichwort Sommermärchen reicht dann.

Um so bemerkenswerter, wenn sich Po­li­ti­ke­r:in­nen dem Sirenengesang der Investoren und Großveranstaltungen entziehen. So wie Bremen, dessen damaliger Bremer Wirtschafts- und Justizsenator Martin Günthner (SPD) die Uefa-Bedingungen nicht unterschrieb. Die Verträge hätten bedeutet „dass wir die Veranstalter im Prinzip von allem freigestellt hätten, was im Rahmen der Veranstaltung stattfinden kann“, sagte er dem Spiegel.

Nicht auszuschließen, dass Bremen sowieso einen schlechten Stand hatte, schließlich kämpft Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nun schon ziemlich lange darum, dass die Deutsche Fußballliga die Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen bezahlt.

Da trifft es nicht die Armen und damit ist eine Finanzstrategie der Uefa doppelt bemerkenswert: Die zahlt den ausrichtenden Städten nichts – und wer kein Mitleid mit Hamburg hat, könnte es zumindest mit Gelsenkirchen haben – wohl aber den Stadienbesitzern.

Hamburg zahlt für die Ausrichtung von fünf EM-Spielen rund 30 Millionen Euro.

Noch mehr lässt sich Berlin seine sechs EM-Spiele mit rund 83 Millionen Euro kosten.

Am wenigsten zahlt im Bundesvergleich Leipzig für vier EM-Spiele mit rund 13 Millionen Euro.

Der Steuererlass für die Uefa war noch ein Zugeständnis der Merkel-Regierung.

Der Gewinn der Uefa wird auf 1,1 bis 1,7 Milliarden Euro geschätzt. Damit liegt er rund 25 Prozent höher als bei der letzten EM.

Tatsächlich ist das Genre prestigeträchtige Sportveranstaltung nicht mehr der Selbstgänger, der es ewig war. In München und Hamburg haben Bürgerentscheide die Olympiabewerbungen gestoppt. Schade, dass das beim Umgang mit der Uefa nicht zu spüren war.

Was bleibt, ist dem Bremer Innensenator bei seinem einsamen Kampf viel Glück zu wünschen und dem Amateurfußball eben so viel, wenn es um die Verteilung der Uefa-Überschüsse geht.

Einen Wunsch hat auch die St.-Pauli-Fanhilfe, der die nationale Begeisterung ordentlich auf den Geist geht. Dass die Polizei sich gegenüber dem Vereinsfan ebenso zurückhaltend, unvermummt und sparsam filmend zeigt, wie gegenüber seinen nationalen Kolleg:innen.