Durchsichtig und grün im Darm

Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (196): Wasserflöhe sind winzig, aber eine wichtige Nahrung für andere Wasserbewohner

Gemeiner Wasserfloh Foto: F. Fox/blickwinkel/imago

Von Helmut Höge

Der Wasserflöhe gibt es viele: den Gemeinen Wasserfloh, den Großen Wasserfloh, der zu den Kiemenfußkrebsen zählt, den Plattkopf-Wasserfloh, den Hüpferling, den Krallenschwanz der Gattung Bosmina, den Stachelwasserfloh sowie den Bach- und den Flussflohkrebs.

Diese „Krebstiere“ bilden jedoch keine eng verwandte Gruppe, sondern werden nur wegen ihrer geringen Größe und der hüpfenden Fortbewegungsart im Wasser so genannt. Den Aquarianern ist das egal, wenn sie mit dem Kescher diese kleinen Tiere für ihre Fische fangen oder getrocknet im Plastikbeutel im Fachgeschäft kaufen. 90 Gramm kosten rund 7 Euro, lebende Japanische Wasserflöhe bei Ebay 8 Euro 95 und Eier vom Großen Wasserfloh sogar bis zu 65 Euro 60.

Man kann seine Wasserflöhe auch selbst züchten – in einer Tonne zum Beispiel. „Im Gegensatz zur Anzucht im Haus muss man bei der Haltung in der Regentonne kaum zufüttern. Für eine gute Entwicklung ist es aber empfehlenswert, die Wasserflöhe anfangs mit Nährstoffen zu versorgen“ – unter anderem mit Hefe und Schwebalgen, heißt es bei gartenjournal.net. Auf lernhelfer.de erfährt man zudem: „Da der Inhalt des Wasserfloh-Darms häufig grün gefärbt ist, lässt sich der Weg der Nahrung unter dem Mikroskop gut beobachten. Der Darm zieht sich von der Mundöffnung bogenförmig durch den Körper nach unten zum After.“

Der Wasserfloh ist also nicht nur winzig (etwa einen Millimeter groß) und fast durchsichtig, sondern auch genügsam. Er zählt zu den Planktonarten und ist in beinahe jedem Süßwasser der Erde zu finden, einige Arten leben sogar in Salz- und Brackwasser. Somit stellt der Floh eine wichtige Nahrung für andere Wasserbewohner dar. Und nicht nur das: Er ist aufgrund seiner schnellen Vermehrung ein wichtiger Indikator für die Gewässergüte. Auf lernhelfer.de heißt es: „Durch seinen Bau und seine Lebensweise ist er an seinen Lebensraum Wasser angepasst.“ Wenn nicht, wäre er wohl längst ausgestorben.

Auf riffreporter.de geht man zu seiner Angepasstheit ins Detail: „Wasserflöhe haben mehr Gene als Menschen. Sie beherrschen sogar Verwandlungen, mit denen sie sich gegen Fressfeinde wie Mückenlarven oder fleischfressende Pflanzen schützen. Das macht sie zu Modellorganismen für eine gesunde Anpassung an Umweltverschmutzung.“

Die „gesunde Anpassung“ kann jedoch zum Problem werden: Vor etwa 30 Jahren gelangte ein in Europa heimischer Stachelwasserfloh in nordamerikanische Seen und brachte deren Ökosysteme durcheinander, berichtet der Wiener Standard. Dieser Floh hat einen langen, mit Widerhaken versehenen Schwanz, sodass er spiegato.com zufolge nur von den größten Fischen gefressen wird und deswegen kaum natürliche Feinde hat. Zudem können diese Flöhe sich sexuell und ungeschlechtlich vermehren – dann bringen die Weibchen nur Weibchen hervor.

„Ihre Eier, die von Vögeln oder Fischen gefressen werden, können den Körper des Tieres unbeschadet passieren. Sie widerstehen sowohl dem Einfrieren als auch dem Trocknen.“ Die invasiven Stachelwasserflöhe „haben in einigen US-Re­gio­nen bestimmte einheimische Zooplanktonarten vollständig eliminiert, was die verfügbare Nahrungsversorgung für Jungfische, die zum Überleben auf Zooplankton angewiesen sind, einschränkt.“

Die „Hüpferlinge“ gehören zu den Ruderfußkrebsen. Auf ­biologie-seite.de wird ihre Fortbewegung beschrieben: „Durch das stoßweise Rudern mit ihren ersten Antennen entsteht der Eindruck eines flohähnlichen Hüpfens. Die langen ersten Antennen sind bei den kleineren Männchen zu Greiforganen umgebildet, mit denen die Weibchen bei der Paarung festgehalten werden. Diese heften ihre Eier nach dem Ablegen in zwei Säckchen am Körper fest.“

Auch die Gattung Bosmina, die zu den Muschelkrebsen zählt, kann sich mithilfe ihrer Antennen über kurze Strecken schwimmend fortbewegen. Ihr Weichkörper ist von einer mineralisierten Chitinhaut überzogen.

Insgesamt wurden bisher etwa 33.000 Muschelkrebs­arten beschrieben. Wegen der guten Fossilisation ihrer Schalen werden sie laut biologie-seite.de seit Längerem „als biostratigraphische sowie sedimentär-fazielle Indikatoren bei der Prospektion von Erdöl verwendet. Sie eignen sich jedoch auch gut für die Untersuchung von Fragestellungen aus der Paläontologie, etwa bei der Verfolgung von Klimaänderungen.“

Die „gesunde Anpassung“ kann jedoch zum Problem werden

Im Fraunhofer-Institut forscht Kathrin Oelschlägel zu Wasserflöhen und Mikroplastik. Dazu heißt es von dort: „Uns interessiert beispielsweise, ob Mikroplastik für den Wasserfloh schädlich ist. Die erste Frage lautet daher: Ab wann hat ein Wasserfloh ein Problem mit Mi­kro­plas­tik? Ein Problem könnte sein, dass sich Partikel an seinen Fühlern anhaften und er dadurch nicht mehr fressen kann. Oder aber die Partikel sind so klein, dass er diese gar frisst. Wenn er sie frisst, was passiert mit ihm? Ist er weniger aktiv? Kann er weniger fressen? Wir sehen also: Eine Frage führt zu vielen weiteren, die in Summe das ganze Ökosystem betreffen. Die Oberflächenbeschaffenheit des Mikroplastiks spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie bestimmt, inwieweit Partikel anhaften. Zudem ist die Partikelgröße maßgeblich. Sie bestimmt, inwieweit der Floh die Partikel aufnehmen kann.“

Die Wasserflöhe werden von unserem Abfall bedroht, umgekehrt haben Forscher der Universität Birmingham eine Technologie entwickelt, mit der sie Populationen von Wasserflöhen in Kläranlagen als „lebende Filter“ integrieren können, berichtete der MDR. Die Wissenschaftler hoffen: „Winzige Wasserflöhe könnten bald eine entscheidende Rolle bei der Beseitigung von chemischen Schadstoffen aus Abwässern spielen, um diese für industrielle, landwirtschaftliche und häusliche Anwendungen sicher zu machen.“

Auf einige Gifte sind die Wasserflöhe sogar scharf: Der Nachwuchsforscher Lukas Schier vom Weizsäcker-Gymnasium in Berlin-Mitte fand laut Westdeutscher Zeitung heraus, dass sie mit Koffein „gar nicht mehr aufhören, sich zu paaren“.