Bewegungen für eine Landschaft

FILMINSTALLATION Der Zeit im Freien widmet sich „Choreografische Bilder im Feld“ von Paula E. Paul und Sirko Knüpfer im Radialsystem

Ferienzeit, Kinderlandverschickung: Eine Gruppe Jugendlicher aus Cottbus machte letzten Sommer Ferien in der Lausitz. Da gehörten die Erkundung eines Tagebaus und die Ersteigung des großen Auslegers eines Baggers zum Programm. Und die Mädchen und Jungs bekamen Besuch von Paula E. Paul, in Berlin und Potsdam vor allem als Flamenco-Tänzerin bekannt, und dem Medienkünstler Sirko Knüpfer. Sie kamen mit der Kamera mit, wenn die Kinder auf Bäume und Leiterwagen kletterten, sich ins Gras fallen ließen und an Bushaltestellen herumlungerten. Was man eben so macht, da, wo eigentlich nicht groß was los ist, wo viel Gegend, aber wenig Menschen sind. Wo das Warten und das Nichtstun, das Freizeithaben und Nicht-Wissen, was der Tag einem denn bringen könnte, miteinander verschmelzen und einsickern in das Bild einer offenen und unbestimmten Landschaft.

Was aus der Begegnung der Kinder und der Künstler herausgekommen ist, kann man jetzt in der Filminstallation „Choreografische Bilder im Feld“ sehen, noch bis zum Wochenende im Radialsystem. Paula E. Paul und Sirko Knüpfer haben erst mal einfach so zugeschaut, und was sie dann nutzten, war vor allem, wie sich im Bewusstsein des Beobachtet-Werdens die Körpersprache verändert. Es sind nur minimale Anweisungen, mit denen Paula E. Paul auf vorhandene Bewegungen reagierte, Abläufe synchronisierte und rhythmisierte. Was so entstand, ist weniger Dokumentation als Hommage an die Landschaft.

Die 16 Cottbuser Kinder sind nicht die einzigen Freizeitdarsteller, zu den über 70 Auftretenden in der sommerlichen Kulisse gehören ein gemischter Chor, ein Bikerclub (beide Gruppen im Rentenalter), Jugendliche, die sich in Ketzin in einem grasüberwachsenen Freilufttheater treffen, eine Laienspieltruppe in historischen Kostümen und ein Tauchclub. Sie alle sehen wir auf den vier Leinwänden der Installation gelegentlich in eine Art Dornröschenschlaf gefallen, die Jugendlichen an Bäume gelehnt, die Laienspielgruppe auf einer Bank im Wasser, den Chor im Häuschen einer Bushaltestelle, die Taucher im Wasser treibend. Das ist eine schöne Komposition vom kollektiven Loslassen, vom Träumen unter offenem Himmel – und auch von einer Ereignislosigkeit, die das Bild vom Land im Gegensatz zur Stadt als Ort der Ereignisse prägt. Irgendwann drehen dann die auf ihren Maschinen erwachenden Biker an ihren Gashebeln, brumm, brumm, der Chor fällt ein mit einem Käferlied, summ, summ – eine seltsame Idylle.

Der Städter fährt in seiner Freizeit gern aufs Land, um dort zu finden, was er in der Stadt nicht hat: Wald, Weite, Wasser. Wer dort immer schon lebt, organisiert sich anders, um die Zeit zu füllen, die nicht der Arbeit und der Produktivität gilt. Auch davon erzählt diese Filminstallation, von den Wunschbildern des Ländlichen und den Defiziten ihrer Realität. Aber die Filmbilder bleiben dabei ganz leise und unaufdringlich, sie stören die Idylle nicht, in manchen Momenten denkt man, das ist jetzt schon etwas sehr harmonisch. Aber eigentlich will man es genau so haben. KATRIN BETTINA MÜLLER

■ „Choreografische Bilder im Feld“, 11. bis 13. April im Radialsystem