Präsident in der Slowakei vereidigt: Handzahmer Staatschef

Anders als seine Vorgängerin ist der neue Präsident Peter Pellegrin regierungstreu. Premier Robert Fico kann jetzt, sobald genesen, durchregieren.

Ein Mann unterschreibt ein Dokument, vor ihm liegt ein Blumenstrauß

Peter Pellegrini während seiner Amtseinführung am Samstag in Bratislava Foto: dpa

WIEN taz | Der neue slowakische Präsident Peter Pellegrini kann loslegen, er wurde am Samstag in Bratislava vereidigt. Der 48-jährige Linksnationale aus dem Regierungslager löst nach fünf Jahren die liberale Zuzana Čaputová ab. Der populistischen Regierung unter Premier Robert Fico (Partei „Smer“) steht somit kein präsidentielles Korrektiv mehr gegenüber.

Pellegrini hatte sich Anfang April gegen seinen liberalen Konkurrenten Ivan Korčok durchgesetzt. Der neue Präsident begann seine Laufbahn als Ökonom, bevor er 2006 erstmals ins slowakische Parlament einzog. Nach Positionen als Staatssekretär für Finanzen und Bildungsminister machte ihn Fico 2016 zum Vizepremier.

2020 gründete Pellegrini die etwas gemäßigtere Abspaltung „Hlas“, die seit Oktober mit Smer und der rechtsextremen SNS regiert. Bei seiner Vereidigung sprach Pellegrini davon, ein Präsident für alle Slo­wa­k:in­nen sein zu wollen.

Der slowakische Präsident hat vor allem repräsentative Funktionen. Er kann jedoch sein Veto gegen neue Gesetze einlegen und nur von einer absoluten Mehrheit im Parlament überstimmt werden. Pellegrini gilt jedoch als regierungstreu und dürfte davon voraussichtlich nur selten Gebrauch machen.

Nachwehen eines Attentats

Die vergangenen Wochen waren vom Attentatsversuch auf Premier Robert Fico geprägt. Dieser wurde am 15. Mai in einer Menschenmenge angeschossen und befand sich zwei Wochen lang in intensivmedizinischer Behandlung. Mittlerweile erholt er sich zu Hause. Bei dem Schützen handelt es sich um einen 71-jährigen Einzeltäter, der angab, aus politischen Gründen gehandelt zu haben.

Viele fürchten, dass die Regierung das Attentat nutzen wird, um noch härter gegen ihre Kritiker vorzugehen. Unter anderem Fico selbst sah darin eine Verschwörung der Opposition – völlig ohne Belege. In seiner Inaugurationsrede sprach Präsident Pellegrini nun davon, das Land einen zu wollen – eine schwierige Aufgabe, denn die Spaltung ist groß. Dafür sorgt unter anderem das große regionale Ungleichgewicht, was Einkommen und Infrastruktur betrifft. Aber auch die politische Rhetorik hat sich in den vergangenen Jahren stark radikalisiert.

Bei der EU-Wahl ist Ficos Smer (24,8 Prozent) soeben hinter den Liberalen („Progressive Slowakei“, 27,8 Prozent) gelandet. Allerdings sollte der Sieg der Liberalen nicht als Schwächung der Regierung gewertet werden, sagt Eva Mihočková, Journalistin und Fellow am Thinktank Visegrad Insight. „Europawahlen sind speziell und dienen nicht als verlässliches Barometer für die politische Stimmung im Land.“ Zumal die Wahlbeteiligung bei nur 34 Prozent lag und damit deutlich unter jener von nationalen Wahlen.

Mihočková rechnet damit, dass Fico fest im Sattel sitzt. Der 59-Jährige hat die slowakische Politik der vergangenen 20 Jahre geprägt wie kein anderer, war mehrmals Premierminister, gilt als knallharter Opportunist. In der Coronakrise stellte er sich auf die Seite der Impfgegner, nun schürt er Angst vor russischen Angriffen und macht Stimmung gegen die Ukraine.

Vorbild Viktor Orbán

Unter anderem forderte er sie zur Aufgabe von Teilen ihres Territoriums auf, um den Krieg zu beenden. Fico verkündete, die „Herrschaft der NGOs über unser Land“ beenden zu wollen. Auch machte er mehrfach deutlich, dass er Orbáns Medienpolitik als Vorbild sieht.

Politisch dürfte es turbulent bleiben, denn die Regierungsmehrheit im Parlament will noch vor der Sommerpause die Neugründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks RTVS beschließen. „Die Regierung hat darauf gewartet, dass Präsidentin Čaputová nicht mehr im Amt ist. Sie hätte gegen die Reform wohl ihr Veto eingelegt, bei Pellegrini ist das nicht zu erwarten“, sagt Radoslav Štefančík, Politikwissenschaftler an der Wirtschaftsuniversität Bratislava. Der Regierung gehe es dabei allein darum, ihre eigenen Leute in die Führungsetage zu heben, sagt der Experte.

Michaela Terenzani, Journalistin bei der Tageszeitung Denník SME, fürchtet, dass auch andere Medien noch an die Kandare genommen werden sollen – auch als Folge des Attentats. „Was genau kommt, weiß aber noch niemand.“

Klar ist: Nach Ficos wochenlanger Absenz zweifelt keiner an seiner Rückkehr. Diese dürfte bereits in den kommenden Wochen erfolgen. Für die nächsten Monate ist Politologe Štefančík alles andere als optimistisch: „Die Regierung will Rechtsstaatlichkeit und die liberale Demokratie demontieren. Der neue Präsident Pellegrini wird ihr keine Steine in den Weg legen, das hat er im Wahlkampf selbst betont.“ Ein wichtiges Korrektiv dürfte künftig also fehlen.

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