PMDS kann lebensgefährlich sein: Suizidgedanken leider nicht selten

PM(D)S kann einen das Leben kosten. Auch wegen der Ignoranz gegen prämenstruelles Leid. Daher ist direkter Austausch mit anderen Betroffen wichtig.

Frau liegt in grünem Licht leichtbekleidet auf dem Boden

Depressive Frau Foto: Gordon Spooner/plainpicture

Diese Kolumne beginne ich mit einer Triggerwarnung, es geht um Suizid. Ich höre gerne Schlager und da darf „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros nicht fehlen. Richtig oft stimmt das auch. Ich liebe das Leben, erfreue mich an Kleinigkeiten, bin von Dankbarkeit und Liebe erfüllt, halte mir den Bauch vor Kichern, tanze auf der Straße herum.

Ich kenne aber auch das Gegenteil. Den Wunsch, nicht mehr leben zu wollen. Damit das ewige Fühlen endlich aufhört. Dann ziehe ich mich zurück und gebe mich diesen Vorstellungen hin. Oft kommt das nicht vor. Doch eigentlich ist jedes einzelne Mal eins zu oft.

Viele Jahre habe ich gebraucht, zu verstehen, dass auch die Intensität dieses Wunsches mit meinem Menstruationszyklus zusammenhängt. Damit bin ich nicht alleine. Auch wenn ich mich lange alleine damit wähnte. Wie man sich mit so vielem alleine wähnt, bis man den Mut aufbringt, darüber zu sprechen.

Relativ ungeniert breite ich mein prä- und auch postmenstruelles Seelenleben auf Instagram aus. Dadurch entstehen Gespräche, die den üblichen Smalltalk überspringen und sich direkt dem Eigentlichen widmen. Statt Sammelkarten werden in den Privatnachrichten seelische Abgründe getauscht. Oder das, was bis – zum Austausch – für seelische Abgründe gehalten wird.

Es ist erstaunlich, wie viel von dem, wofür wir uns schämen, von dem wir denken, es niemals jemand sagen zu können, andere Menschen auch denken.

Austausch knüpft Bande

Etliche Köpfe, die sich selbst zermartern, einsam und unverstanden fühlen. Beim Thema Suizidgedanken kommt noch eine weitere Komponente hinzu, die anderen nicht ängstigen, nicht belasten zu wollen. Dabei kann ein Austausch diese Gedanken auch relativieren, sie nicht als Wunsch zu sterben, sondern als Wunsch nach einem Ende des Leids einordnen.

Etliche Köpfe, die sich selbst zermartern, einsam und unverstanden fühlen.

Austausch knüpft Bande, Austausch kann ein Katalysator für Widerstand gegen die Ignoranz der Wissenschaft gegenüber prämenstruellem Leid, das sogar im Suizid münden kann, sein.

Denn PM(D)S kann einen das Leben kosten. Nicht immer bleibt es lediglich bei den Gedanken. Laut einer 2022 veröffentlichten Studie mit 2.689 Menstruierenden, die an PMDS-Symptomen litten, berichteten 34 Prozent der Teilnehmenden über einen Suizidversuch.

Zahlen dazu, wie viele Menstruierende sich bereits während PMDS das Leben genommen haben, konnte ich nicht finden. Gestern war meine Menstruation vorbei, nun sind mir wieder zwei, drei Wochen vergönnt, in denen Vicky Leandros Song „Ich liebe das Leben“ durch die Wohnung schmettert.

Rückwirkend lässt sich mein PMDS diesen Monat als zehntägige und äußerst dramatisch inszenierte Ouvertüre mit Suizidgedanken beschreiben. Es war nicht durchgängig, doch immer noch so ausgeprägt, dass sogar ich mich nicht traue, offen darüber zu sprechen.

Fatalerweise kam hinzu: Ich war mir nicht sicher, ob es PMDS ist, da mein Zyklus momentan mal 28 und mal 36 Tage lang ist. Diese Unsicherheit verstärkte die Verzweiflung und führte zur gedanklichen Eskalation.

Solltet ihr Suizidgedanken haben, sprecht bitte mit euren Mitmenschen darüber oder ruft die Telefonseelsorge unter der Nummer 0800 1110111 an. Es gibt Hilfe, ihr seid nicht alleine. Versprochen.

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Sarah Lorenz wurde 1984 in Eckernförde geboren, lebt und schreibt auf St.Pauli. Seit 2023 Kolumne PMS-Ultras in der taz. Im Internet bringt sie unter dem Pseudonym Buchi Schnubbel allabendlich eine Kleinstadt an Menschen zu Bett.

Haben Sie den Verdacht, an Depression zu leiden? Oder haben Sie sogar suizidale Gedanken? Andere Menschen können Ihnen helfen. Sie können sich an Familienmitglieder, Freun­d:in­nen und Bekannte wenden. Sie können sich auch professionelle oder ehrenamtliche Hilfe holen – auch anonym. Bitte suchen Sie sich Hilfe, Sie sind nicht allein. Anbei finden Sie einige Anlaufstellen.

Akute suizidale Gedanken: Rufen Sie den Notruf unter 112 an, wenn Sie akute suizidale Gedanken haben. Wenn Sie sofort behandelt werden möchten, finden Sie Hilfe bei der psychiatrischen Klinik oder beim Krisendienst.

Depression und depressive Stimmung: Holen Sie sich Hilfe durch eine Psychotherapie. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe kann Ihnen ferner Hilfe und Information zum Umgang mit Depression bieten.

Kummer: Sind Sie traurig und möchten jemanden zum Reden haben? Wollen Sie Sorgen loswerden und möchten, dass Ihnen jemand zuhört? Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr besetzt. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Sie können auch das schriftliche Angebot via Chat oder Mail in Anspruch nehmen.

Onlineberatung bei Suizidgedanken: Die MANO Suizidprävention bietet eine anonyme Onlineberatung an. Wenn Sie über 26 Jahre alt sind, können Sie sich auf der Webseite registrieren. Sollten Sie jünger sein, können Sie hier eine Helpmail formulieren.

Hilfsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern: Die Nummer gegen Kummer hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern zu helfen. Kinder erhalten dort Unterstützung unter der Nummer 116 111, Eltern unter 0800 111 0 550, und bei der Helpline Ukraine unter 0800 500 225 0 finden Sie auch Hilfe auf Russisch und Ukrainisch.

Hilfsangebot für Mus­li­m:in­nen: Die Ehrenamtlichen des Muslimischen Seelsorgetelefons erreichen Sie anonym und vertraulich unter 030 443 509 821.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention können Sie nach weiteren Seiten und Nummern suchen, die Ihrem Bedarf entsprechen.

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