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Nahostkonflikt bestimmt den Wahlkampf

Die extreme Rechte kommt als pro-jüdische Kraft in Frankreich an. Da hilft auch die späte Einigkeit des linken Bündnisses nicht

Von Lea Fauth

Der Nahostkonflikt, und mit ihm die Themen Antisemitismus und Israelkritik, wird im französischen Wahlkampf vor den Parlamentswahlen am kommenden Wochenende als Rechte-versus-Linke-Frage verhandelt. Warum ist das so? Ein Rückblick in den Herbst 2023: Nachdem Yaël Braun-Pivet, Präsidentin der Nationalversammlung, zu einem „Marsch gegen Antisemitismus“ aufgerufen hatte, kamen am 12. November rund 100.000 Menschen in Paris auf die Straße. Mit dabei, medial groß angekündigt: Marine Le Pen und Jordan Bardella von der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN).

Zwei andere prominente Gesichter hingegen fehlten: Das des Präsidenten Emmanuel Macron und das des Parteichefs der linken France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon. „Ich bin noch nie auf eine Demonstration gegangen, egal welche“, kommentierte Macron seine Abwesenheit. Und Mélenchons Partei LFI schrieb damals: „Es ist unmöglich, an der Seite einer Partei gegen Antisemitismus zu kämpfen, wenn diese Partei ihren Ursprung in der Kollaboration mit dem Nationalsozialismus hat.“

Um nicht an der Seite von Rechts­extremen zu laufen, nahm der LFI-Abgeordnete François Ruffin stattdessen an einer Demonstration gegen Antisemitismus in Straßburg teil. Grüne, Kommunisten und Sozialisten verurteilten die Anwesenheit des Rassemblement National damals zwar, waren jedoch in Paris zugegen. Insbesondere die Sozialisten kritisierten auch, dass die LFI die Attentate der Hamas nach dem 7. Oktober nicht explizit als Terrorismus verurteilte.

Da half es auch nur noch wenig, dass im neuen Linksbündnis „Nouveau Front Populaire“ sich die anderen Parteien schlussendlich gegen die LFI durchgesetzt haben, die Hamas als Terrororganisation verurteilt und dem Antisemitismus der Kampf angesagt wird. Denn Le Pens RN hat es geschickt verstanden, sich als die einzige ehrliche antisemitische politische Kraft zu verkaufen.

Marine Le Pen hat in den letzten Jahren maßgeblich die Strategie der „Entteufelung“ des RN vorangetrieben: Rechtsradikale Ideen sollen durch verbal gemäßigtes Auftreten salonfähig werden. Im aktuellen RN-Parteiprogramm steht, man wolle Menschen mit französischem Pass bevorzugen, etwa bei Sozialhilfen und der medizinischen Versorgung. Jordan Bardella, seit 2022 Parteivorsitzender des RN, ist Anhänger der rechtsextremen Theorie des „Großen Austausches“ und vertritt ein neoliberales Wirtschaftsprogramm.

Die 99-jährige Holocaust-Überlebende Ginette Kolinka warnte im französischen Radiosender France Info, dass der RN nur auf Stimmenfang aus sei: „Wenn selbst Juden sich auf die Seite der Rechtsextremen stellen, sind wir verloren.“