Niederländischer Politiker Dick Schoof: Ein Premier wie ausgestanzt

Er war einer der höchsten Beamten der Niederlande, nun soll Dick Schoof Premier werden. Böse Fragen zu Wilders? Beantwortet er lieber nicht.

Ein Mann steht vor zwei Mikrofonen.

Selbst überrascht: Dick Schoof soll Premier der ersten Regierung unter der rechtspopulistischen PVV werden Foto: Piroschka Van De Wouw/reuters

AMSTERDAM taz | Als Dick Schoof am Dienstag erstmals ins Rampenlicht trat, wirkte er wie die sprichwörtliche Jungfrau, die unverhofft zu einem Kind kommt. „Für viele Leute ist es eine Überraschung, dass ich hier stehe. Für mich selbst auch“, mit diesen Worten begann der 67-Jährige seine Politikerlaufbahn. Die letzte Jahrzehnte verbrachte er zwar in allerlei Den Haager Spitzenfunktionen, allerdings weitestgehend hinter den Kulissen. Und nun das: Schoof, dessen Berufsstand man in den Niederlanden als „Top-Beamte“ bezeichnet, soll der Premier der ersten Regierung unter der rechtspopulistischen PVV werden. Und das Gesicht jenes demokratischen Experiments, das sich „außerparlamentarisches Kabinett“ nennt.

Der erste Eindruck, den man da von ihm bekam, war durchaus gemischt: ein agiler Mann, beinahe jugendlich wirkend für sein Alter, dem man seine Vorliebe für Joggen ansieht. Laut der Tageszeitung Het Parool kursierte auf den Ministerien, wo er den Beamtenstab leitete, früher der Spruch: „Wo ist Dick? Dort, wo ein Spiegel hängt.“ Zugleich strahlt Schoof diese sehr niederländische Mischung einer hohen Position mit unkomplizierter Zugänglichkeit aus. Und während er dort in die Kameras sagte, er wolle verbinden, der Premier aller Niederländer sein und sich verbal auch um die in den vergangenen Jahren so vermisste Nähe der Politik zu den Bür­ge­r*in­nen bemühen, musste man – ausgerechnet – an Mark Rutte denken. Der nun scheidende Premier hat ein ähnliches Auftreten, ist aber nach einer Reihe von Skandalen beim Gros der Bevölkerung inzwischen arg unbeliebt.

Natürlich fiel auch gleich diese Konstellation ins Auge: der umgänglich plaudernde Schoof, der sogleich den Schleier vor seinem Privatleben lüftete und berichtete, sich mit seiner Freundin und den beiden erwachsenen Kindern lange beraten zu haben über das neue Jobangebot. Dass er „Gutes tun“ wolle und dem Rechtsstaat dienen. Dieser Mann soll also Chef einer äußerst umstrittenen Regierung werden. Bei Vorstellung ihres Koalitionsvertrag rühmte diese sich unlängst, sie wolle mit dem strengsten Grenzregime der EU „Zugriff auf Migration“ bekommen. Auch erklärte sie Klima- und Euroskepsis zum neuen politischen Standard und kündigte an, etwa bei der Entwicklungszusammenarbeit Mittel zu kürzen.

Was all diese Inhalte und ganz besonders sein Verhältnis zu Geert Wilders PVV angeht, war Schoof freilich zu keinerlei Aussage zu bewegen. Wiederholt betonte er stattdessen, der Koalitionsvertrag sei ein Kompromiss aller vier beteiligten Parteien und seine eigene Funktion bestünde darin, ihn umzusetzen. Zur Frage eines Journalisten, ob er künftig an der Leine des PVV-Chefs laufen werde, äußerte Schoof sich nicht.

„Nestor der Den Haager Spitzenbeamten“

Unbestritten freilich ist, dass er zumindest auf dem Papier in die Stellenbeschreibung des Chefs eines externen Kabinetts passt. Wie ausgestanzt. Nachdem Schoof, wie er am Dienstag erklärte, 2021 seine schlafende Mitgliedschaft bei der sozialdemokratischen PvdA beendete, der er sich „nicht mehr verwandt“ fühlte, habe er ausreichend Distanz zum politischen Betrieb in Den Haag. Die Behörden, in denen er leitende Funktionen bekleidete – Immigrationsdienst, Geheimdienst, Justizministerium – rücken ihn zugleich in die Nähe von Politikfeldern, auf denen sich die kommende Rechtsregierung profilieren und definieren will.

Im Justiz- und Sicherheitsministerium unterhielt er zudem gute Beziehungen zu Ministerin Dilan Yeşilgöz von der liberal-rechten VVD, die angab „unglaublich froh über Dick“ zu sein. Wilders, der wegen islamistischer Morddrohungen seit vielen Jahren unter Personenschutz steht, kennt Schoof aus seiner Tätigkeit bei der Anti-Terror-Koordination NCTV. Und er stand einer PVV-geführten Regierung schon da nicht ablehnend gegenüber, als die linke Wochenzeitung De Groene Amsterdammer ihn im vergangenen März als „Nestor der Den Haager Spitzenbeamten“ interviewte.

Wie er in dieser Funktion den Rechtsstaat zu schützen gedenke, sollte dieser in der kommenden Zeit unter Druck geraten – das war eine zentrale Frage in diesem Gespräch. Schoof distanzierte sich umgehend von der Sichtweise, „dass die Demokratie wegen des Wahlergebnisses im Begriff ist zu sterben“. Und ergänzte: „Es ist natürlich nicht so, dass, wenn ein Viertel der Leute die PVV wählt, dann ein Viertel der Leute auf einmal alles falsch sehen.“ Bei Geert Wilders dürfte die Aussage nicht schlecht angekommen sein.

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