Politische Krise in Haiti: Der Arzt soll die Wunde heilen

Haitis provisorischer Präsidialrat bestimmt Garry Conille zum Übergangs-Premier. Der Unicef-Chef war vor zwölf Jahren schon einmal Ministerpräsident.

Ein Mann mit Anzug und Brille

Garry Conille, bislang Unicef-Regionaldirektor, jetzt Premier von Haiti Foto: Dieu Nalio Chery/ap

PORT-AU-PRINCE/SAN JUAN/MEXIKO-STADT dpa/ap/epd | Der bisherige Unicef-Regionaldirektor Garry Conille soll Haiti als Ministerpräsident der Übergangsregierung aus der Krise führen. Bei der Abstimmung am Dienstag (Ortszeit) hätten sechs der sieben stimmberechtigten Ratsmitglieder für Conille votiert, sagte Ratsmitglied Louis Gérald Gilles der Nachrichtenagentur AP. Das siebte Mitglied habe nicht abgestimmt, weil es nicht in Haiti sei.

Conille war bereits von Oktober 2011 bis Mai 2012 unter dem damaligen Präsidenten Michel Martelly Regierungschef und ist derzeit Regionaldirektor des UN-Kinderhilfswerks Unicef für Lateinamerika und die Karibik. Der Mediziner hatte zuvor in verschiedenen Positionen bei den Vereinten Nationen gearbeitet. Er ersetzt Michel Patrick Boisvert, der nach dem Rücktritt von Ariel Henry Ende April zum Übergangsministerpräsidenten ernannt wurde.

Die Einrichtung des Übergangs-Präsidialrats wurde am 11. März bei einem Treffen der Karibischen Gemeinschaft Caricom in Jamaika mit Beteiligung von US-Außenminister Antony Blinken beschlossen. Der Rat wurde Ende April vereidigt, doch die katastrophale humanitäre Lage im Karibikstaat hat sich nicht verbessert. Die Bandenangriffe auf die Bevölkerung und auf öffentliche Einrichtungen nehmen weiter an Intensität zu.

Seit Beginn der Eskalation Ende Februar hätten bewaffnete Banden in der Hauptstadt Port-au-Prince mehr als 30 Polizeistationen in Brand gesetzt, berichtete das Amt für Bevölkerungsschutz. Die Straßengangs sind dazu übergegangen, Polizeiposten und verlassene Gefängnisse mit schwerem Gerät zu zerstören.

Politische Krise dauert schon seit Jahren an

Haiti leidet seit Jahren unter der Gewalt schwer bewaffneter Banden, die die Hauptstadt Port-au-Prince größtenteils unter ihrer Kontrolle haben. Ab Ende Februar eskalierte die Lage, als ein Bündnis mehrerer Banden mit einer Reihe von Gewalttaten die Stadt lahmlegte. Den damaligen Interims-Ministerpräsidenten Ariel Henry hinderten sie so der Rückkehr von einer Auslandsreise und zwangen ihn zum Rücktritt.

Seit der noch immer nicht vollständig aufgeklärten Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 hat Haiti keinen Staatschef mehr. Auch ein Parlament gibt es wegen ausgefallener Wahlen nicht.

Haiti teilt sich die Insel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik. Etwa die Hälfte der rund elf Millionen Einwohner Haitis leiden unter akutem Hunger. Mehr als 360.000 von ihnen gelten als Binnenvertriebene im eigenen Land.

Der Beginn einer internationalen Sicherheitsmission in Haiti unter der Führung kenianischer Polizisten und mit Unterstützung der USA wird in Kürze erwartet, verzögerte sich zuletzt allerdings mehrmals.

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