Mileis Reformpläne für Argentinien: Unter lautstarkem Protest

Argentiniens Senat billigt das „Megagesetz“ von Präsident Javier Milei in abgespeckter Version. Draußen kommt es zu Protest und Straßenschlachten.

Ein Pkw brennt vor dem Kongress in Buenos Aires während eines Protests gegen das Reformvorhaben der ultraliberalen Regierung von Präsident Milei, das im Kongress debattiert wird.

Proteste auf den Straßen von Buenos Aires gegen das Reformvorhaben der ultraliberalen Regierung von Präsident Milei Foto: Fernando Gens/dpa

BUENOS AIRES taz | Überschattet von gewaltsamen Zusammenstößen hat Argentiniens Senat in Buenos Aires am späten Mittwochabend das Megagesetzespaket des libertären Präsidenten Javier Milei gebilligt. Die entscheidende Ja-Stimme kam von Senats- und Vizepräsidentin Victoria Villar­ruel, nachdem die Abstimmung mit 36 Ja- und 36 Nein-Stimmen in einer Pattsituation endete. In dieser Si­tua­tion entscheidet die Stimme der Senatspräsidentin.

Der Präsident entging damit nur ganz knapp einer Niederlage. Für Milei ist dies das erste Gesetzesvorhaben, das er in den sechs Monaten seiner Amtszeit dem Kongress vorgelegt hat. Und er musste beweisen, dass er Gesetze durch den Kongress bringen kann.

Die Zustimmung des Senats war jedoch lange Zeit fraglich. Die Regierung hatte bis kurz vor der Abstimmung über Zugeständnisse und Änderungen verhandelt, um die notwendigen Stimmen zu erhalten.

Bevor das Megagesetzespaket jedoch ausgepackt und umgesetzt werden kann, muss das Abgeordnetenhaus den vom Senat vorgenommenen Änderungen zustimmen. Wenn dies geschieht, wovon aktuell auszugehen ist, kann Milei ein Jahr lang mit Sondervollmachten in den vier Bereichen Verwaltung, Wirtschaft, Finanzen und Energie regieren.

Steine, Molotowcocktails, Schlagstöcke und Wasserwerfer

Von dem ursprünglichen Me­ga­gesetzespaket mit über 600 Artikeln ist jedoch nur eine abgespeckte Version von 238 Artikeln geblieben. Nicht nur quantitativ, auch qualitativ musste die Regierung zurückrudern, zumal Mileis Partei La Libertad Avanza nur über 10 Prozent der Mandate im Abgeordnetenhaus und 15 Prozent der Mandate im Senat verfügt.

So sind von den ursprünglich mehr als 40 staatlichen und mehrheitlich staatlichen Unternehmen, die privatisiert werden sollten, nur noch zwei übriggeblieben. Von der Liste gestrichen sind etwa die Fluggesellschaft Aerolíneas Ar­gen­­ti­nas, der Postdienst Correo Argentina sowie Radio und Televisión Argentina. Dazu kommen fünf Staatsunternehmen, deren Tätigkeiten als Konzessionen an private Betreiber vergeben werden können, darunter die Wasserwerke AySA und die Eisenbahngesellschaften Trenes Argentinas und Belgrano Cargas.

Schon zu Beginn der Debatte am Mittwochmorgen hatten sich Protestierende vor dem Kongressgebäude eingefunden, das durch Metallgitter und ein massives Polizeiaufgebot abgeriegelt war. Zu dem Protest hatten soziale Basisorganisationen, kleine linke Parteien und einige Gewerkschaften aufgerufen. Nach und nach strömten immer mehr Menschen auf den Platz vor dem Kongressgebäude.

Die Spannungen begannen, als die Polizei einen Zug von Demonstrierenden zu einem Umweg zum Platz vor dem Kongress zwang. Als sich beide Seiten schließlich am Zaun vor dem Kongressgebäude gegenüberstanden, begann die Situation zu eskalieren. Von der einen Seite flogen zunächst Steine und Flaschen. Von der anderen Seite kamen Wasserwerfer und Tränengas zum Einsatz. Während sich ein Großteil der Protestierenden zurückzog, begann ein kleinerer Teil, am Zaun zu rütteln.

Es kam zu einer mehrstündigen gewalttätigen Straßenschlacht, bei der auch Molotowcocktails und Metallgegenstände geworfen sowie Schlagstöcke und Gummigeschosse eingesetzt wurden. Tränengasschwaden waberten über den Platz, Mülltonnen brannten, zwei Autos wurden in Brand gesetzt und mehrere Lokale verwüstet.

Als schließlich die Polizeieinheiten vorrückten und den Platz räumten, verlagerten sich die Auseinandersetzungen in die Seitenstraßen und gingen bis in den frühen Abend weiter. In einigen Stadtteilen von Bue­nos Aires kam es zeitgleich zu Kochtopfkonzerten.

Vor dem Kongress bot sich dagegen ein gespenstisches Bild, als das enorme Polizeiaufgebot in Kampfmontur den in der Eile nicht abgehängten Protestplakaten und nur wenigen Protestierenden gegenüberstand. Für das Präsidialamt handelte es sich um „terroristische Gruppen“, die „einen Staatsstreich durchführen wollten“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Bilanz: Mindestens 30 Festnahmen und zahlreiche Verletzte, darunter fünf Abgeordnete der Opposition.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.