Nadine Conti
Provinzhauptstadt
: Mehr Wunderwuzzis braucht die Stadt

Ein bisschen enttäuscht war ich schon. Da legt nun endlich auch die CDU ein Konzept für die Innenstadt Hannovers vor – fast zwei Jahre nachdem die Landeshauptstadt ihr Konzept vorgelegt hat, mehr als ein halbes Jahr nachdem die grün-rote Koalition sich angesichts des Mobilitätskonzeptes zerlegt hat – da erwartet man doch ein bisschen was. Vor allem wenn die CDU-Ratsfraktion ankündigt, endlich Schluss machen zu wollen mit der „Anti-Auto-Politik“. Wird endlich die Fußgängerzone aufgehoben? Freie Fahrt vom Kröpcke bis zum Steintor? Mehr Parkplätze auf der Lister Meile? Aber natürlich fordern sie nichts davon. Im Gegenteil: Man strebt eine „Herausnahme des KFZ-Verkehrs“ aus der Georgstraße an und eine Verkehrsberuhigung auf der Burgstraße. Tzz, tzz. Alle anderen Straßensperrungen lehnt man aber als „ideologisch“ ab, immerhin. Außerdem soll das Parken nach 18 Uhr umsonst sein und die Brötchentaste wieder eingeführt werden.

Soweit, so erwartbar. Genauso wie der Schwerpunkt auf Ordnung und Sauberkeit und Wirtschaftsförderung. Wobei bei letzterer vor allem erst einmal neue Stellen gefordert werden: Mehr Kräfte im Ordnungsdienst, ein „Ansiedlungslotse“ und ein „hauptamtlicher City-Manager“. So viel zum Thema Bürokratieabbau. Ansonsten hat auch die CDU verstanden, dass es mit einem weiter so wohl nicht getan ist. Mehr Bänke, mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität, mehr Trinkwasserspender, mehr Spielplätze und ein bisschen Flächenentsiegelung fordert sie nämlich auch. Da muss man schon fast aufpassen, dass nicht aus Versehen Schnittmengen mit dem ideologischen Gegner entstehen.

Foto: privat

Nadine Conti ist Nieder­sachsen­korrespondentin in Hannover – und darüber viel glücklicher, als sie es für möglich gehalten hätte

Der Wunderwuzzi der modernen Innenstadt ist aber anscheinend der Außengastronom. Egal, wie die Frage lautet, die Antwort ist immer: mehr Außengastronomie. Im CDU-Konzept zum Beispiel auf dem Opernplatz, am Historischen Museum, am Kestner-Museum und eigentlich auch überall sonst. Dagegen ist natürlich überhaupt nichts einzuwenden: Essen und Trinken tut schließlich jeder, manche sogar gern. Und man weiß ja, dass der normale Deutsche sich nicht einfach so auf Plätzen tummelt (im Gegensatz zu Italienern, zum Beispiel). Nein, in Deutschland braucht man schon einen Anlass, eine Ausrede, eine Möglichkeit, Geld auszugeben, sonst wird das nichts. Aber die Frage bleibt doch: Wo sollen die bloß alle herkommen, diese Außengastronomen? War da nicht auch irgendwie Krise? Wird man am Ende die ewig gleichen Handelsketten, die jede Fußgängerzone gleich aussehen lassen, jetzt einfach ersetzen durch überall gleiche Gastro-Ketten? Und wird der Klimawandel wirklich dafür sorgen, dass es so viele Tage im Jahr gibt, an denen man draußen sitzen mag?

Egal, wie die Frage lautet, die Antwort ist: mehr Außengastronomie

Meine liebste Floskel in der CDU-Pressekonferenz war aber „neu denken“. Das möchte man nämlich mit allen möglichen Plätzen tun. Dem Waterlooplatz, dem Ernst-August-Platz, dem Georgsplatz, dem Opernplatz. Alles muss neu gedacht werden. Also, hm, ich möchte ja wirklich nicht unhöflich sein, aber … Was genau braucht es denn jetzt noch, um mit dem Denken mal anzufangen? Wie wäre es mit los- und zu Ende denken? „Eine Stadt für alle“ ist die zweite Floskel, die sich in jedem einzelnen Papier von jeder einzelnen Partei zur Innenstadt findet – nur dass jeder damit offenbar etwas anderes meint. Genauso wie sich die seltsame Marotte einbürgert, dass jede Partei ihre eigenen Beteiligungsformate organisiert und anschließend behauptet, alle anderen hätten mit den falschen Bürgern geredet. So langsam wünschte ich mir wirklich, man könnte einfach mal konkrete Entwürfe nebeneinander legen und darüber abstimmen. Apropos abstimmen: Trotz aller „ideologischer Bevormundung“ (O-Ton CDU) mit der sie die arme Stadtbevölkerung pesten und trotz massiver Verluste landeten die Grünen bei der EU-Wahl in Hannover immer noch knapp auf Platz 1. Dicht gefolgt von der CDU.