das wird
: „So ein Konzern trägt besondere Verantwortung“

Warum Ak­ti­vis­t:in­nen gegen einen Tönnies-Schlachthof demonstrieren

Interview Alexander Diehl

taz: Franziska Klein, was ist so problematisch am Fleischkonzern Tönnies?

Franziska Klein: Er steht für uns symbolisch für die katastrophalen Auswirkungen der Tierindustrie, als einer der Big Player auf dem deutschen Fleischmarkt. Wir kritisieren ganz konkret einerseits das Leid der Tiere. Aber auch, und das ist ja auch kein Geheimnis, die Arbeitsbedingungen in den Schlachtfabriken und anderen Einrichtungen der Tierindustrie. Und schließlich: die kolonialen Strukturen, die dahinterstecken und die Auswirkungen auf unser Klima.

Kolonial inwiefern?

Die Futtermittel werden im Globalen Süden angebaut, und dafür wird auch Regenwald abgeholzt.

Tönnies ist also ganz konkret Objekt, steht aber auch für das größere schlimme Ganze.

Genau. Wir sagen: Wir müssen die ganze Tierindustrie abschaffen und das Ernährungssystem ändern. Durch die Monopolisierung, genau genommen haben wir hier ein Oligopol, hat die Fleischindustrie, hat so ein mächtiger Konzern eine besondere Verantwortung – und einen besonderen Einfluss auf die Strukturen in der Branche insgesamt.

Foto: privat

Franziska Klein 39, engagiert sich seit über 15 Jahren in verschiedenen Zusammenhängen für die Befreiung der Tiere und eine solidarische Gesellschaft.

Kritik wird an Tönnies schon länger geäußert. Wie geht der Konzern damit um?

Wie wir alle wissen, kommt er aus den Schlagzeilen nicht raus. Seien es die Corona-Ausbrüche unter Beschäftigten, die Falschetikettierung von Fleischwaren, sei es die noch bis vor Kurzem gehegte langjährige Freundschaft des Inhabers mit Vladimir Putin. Gegen seine Kri­ti­ke­r:in­nen geht Tönnies gerne sehr repressiv vor, da gibt es eine Anwaltskanzlei, die einstweilige Verfügungen und Unterlassungsklagen rausschickt – auch gegen Medien übrigens. Als befreundete Ak­ti­vis­t:in­nen einmal den Schlachthof besetzt haben, bekamen sie eine Schadensersatzforderung auf den Tisch.

Was plant ihr am kommenden Samstag in Kellinghusen?

Eine große Demonstration, wir erwarten bis zu 200 Personen. Wir werden uns im Zentrum von Kellinghusen treffen, sozusagen – ist ja ein kleiner Ort – und gehen dann zusammen und lautstark zum Schlachthof. Den hat Tönnies vor einigen Jahren aufgekauft. Wir haben Redebeiträge vorbereitet zu Neokolonialismus und Futtermittelanbau, zur Tierethik, zum Arbeitsrecht und der Situation der Schlachthof-Arbeiter:innen. Auch zum Thema Fleischindustrie – und wie sie, denken wir, abgeschafft werden kann. Es sind ja politische Entscheidungen, welche Lebensmittel subventioniert werden. Wir fordern eine andere Subventionspolitik: zugunsten nachhaltiger, ökologischer und – angesichts der Auswirkungen der Fleischindustrie – pflanzenbasierter Ernährung.

Und was passiert heute Abend?

Mobilisierung mit Vortrag und Demoschilderbasteln: heute, 18.30 Uhr, Café Klippo im Libertären Zentrum LiZ, Karolinenstraße 21a, Hamburg

Demonstration: Sa, 15. 6., 12.30 Uhr, Unterer Marktplatz, Kellinghusen. Infos: https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org/demo-kellinghusen

Da gibt es einen kleinen Vortrag dazu, warum wir als Bündnis uns dieses Thema ausgesucht haben, auch ein paar Informationen zum Unternehmen Tönnies. Es gibt ein bisschen was zu essen, Kuchen und Fingerfood – und wer Lust hat, kann Schilder und andere Demo-Materialien basteln und sich eigene Sprüche überlegen, damit wir unsere Forderungen am Samstag sozusagen auch visuell vortragen können.

Wenn ihr es mit Tönnies mit einem auch mal klagefreudigen Kontrahenten zu tun habt: Müssen Demo-Schilder vorher nochmal juristisch begutachtet werden?

Wir finden, die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Gut, das endet bei diskriminierenden oder menschenfeindlichen Aussagen. Aber was unseren Werten nicht widerspricht, darf auch auf Schildern stehen. Und falls tatsächlich was nachkommen sollte: Wir lassen damit dann niemanden allein.