Rechtsstreit Hannover 96 vs. Martin Kind: Urteil in Sicht

Im Juli entscheidet der Bundesgerichtshof über den Streit zwischen Hannover 96 und seinem Geschäftsführer Martin Kind. Die taz zeigt mögliche Szenarien.

Fans zeigen im Stadion ein Konterfei von 96-Geschäftsführer Martin Kind mit einem Fadenkreuz.

Auswuchs eines jahrelangen Konflikts: 96-Fans äußern sich am 16. Februar 2024 im Niedersachsenstadion Foto: dpa | Swen Pförtner

HANNOVER taz | Der Streit darüber, ob Martin Kinds Abberufung als Geschäftsführer von Hannover 96 im Juli 2022 rechtens war, hat es bis vor den Bundesgerichtshof geschafft. Am 16. Juli soll das Urteil über den Konflikt verkündet werden, der die Zukunft des Vereins und seines Hauptgesellschafters maßgeblich verändern kann. Folgende Szenarien sind danach möglich.

Was passiert, wenn das Gericht verkündet, dass Kind nicht hätte abberufen werden dürfen und er Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH bleibt?

Dann gibt es ein grundlegendes Problem. Das komplexe Firmenkonstrukt von Hannover 96 weist eine Besonderheit auf, die das Miteinander zwischen Vereins- und Kapitalseite regelt. Es ist vertraglich vereinbart, dass der Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH nur dann abgesetzt werden kann, wenn deren Aufsichtsrat zustimmt. In diesem Gremium entsteht aber seit Jahren eine Pattsituation, was gegen die 50+1-Regel verstößt. Sie besagt, dass der Mutterverein eine Stimmenmehrheit haben muss. Ist das nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen die Statuten der Deutschen Fußball Liga (DFL) und deren 50+1-Regel vor. Das gefährdet dann sogar die Lizenz, die die Grundlage für eine Teilnahme von Hannover 96 am Profifußball in Liga 1 oder 2 ist.

Wie wird Kind reagieren, falls das Gericht beschließt, dass seine Absetzung nicht korrekt war?

Vermutlich trotzig. Obwohl jener Mann, der die Geschicke von Hannover 96 seit mehr als zwei Jahrzehnten maßgeblich bestimmt, vor Kurzem 80 Jahre alt geworden ist, wird er keineswegs amtsmüde. Allerdings bleiben die Fronten extrem verhärtet. Der ehrenamtliche Vereinsvorstand wirft Kind immer wieder vor, dass er sich nicht an Absprachen hält. Falls Kind laut Gericht im Amt bleiben darf, wären alle Rechtsmittel des Vereins ausgeschöpft. Eine höhere Instanz als den Bundesgerichtshof gibt es nicht.

Was passiert, wenn das Gericht urteilt, dass Kind abgesetzt werden durfte?

Dann würde Hannover 96 so schnell wie möglich einen neuen Geschäftsführer benötigen, um an der Nahtstelle zwischen Kapital- und Vereinsseite handlungsfähig zu bleiben. Das grundlegende Problem bleibt: Da sich im Aufsichtsrat immer wieder eine Pattsituation ergibt und keine Entscheidung getroffen werden kann, müsste vermutlich das Amtsgericht einen Kandidaten bestimmen. Das wäre mehr als kurios, weil das Amt des Geschäftsführers in diesem besonderen Falls ein feines Gespür für den Sport und die Konstellation bei Hannover 96 erfordert.

Welche Konsequenzen drohen, falls Kind im Amt bleibt und die DFL moniert, dass die 50+1-Regel bei Hannover 96 nicht eingehalten wird?

Dann droht der nächste Rechtsstreit. Zunächst würde die DFL darauf drängen, dass die Satzung von Hannover 96 geändert werden müsste. Falls das nicht geschieht, werden Geldstrafen, Auflagen und sogar ein Lizenzentzug drohen. Gegen solche Maßnahmen würde Kind aller Voraussicht nach klagen und dann sogar versuchen, die gesamte 50+1-Regel zu kippen. Das Bundeskartellamt müsste sich mit der Frage beschäftigen, warum die Regel in Hannover, bei Bayer Leverkusen und dem VfL Wolfsburg aufgrund von Ausnahmegenehmigungen nicht stringent eingehalten wird. Kippt die 50+1-Regel insgesamt, würde sich eine Tür für Investoren öffnen, die gegenüber dem Mutterverein immer das letzte Wort haben. Vor diesem Szenario fürchten sich vor allem traditionsbewusste Fußballfans.

Was wäre, wenn Martin Kind nach all den Jahren des Streits keine Lust mehr auf 96 hat?

Dann wäre unklar, wie sich das um ihn entstandene Firmengeflecht fortführen ließe. Kind ist parallel zu seiner Rolle als Geschäftsführer der Management GmbH die zentrale Person bei Hannover 96. Als Hauptgesellschafter hat er angekündigt, seine Anteile an seinen Sohn Matthias zu übertragen. Der 48-Jährige, bisher im Mode- und Musikgeschäft tätigt, hatte seinen Vater zu der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof begleitet. Der Vater möchte, dass Matthias Kind in Zukunft eine gewichtige Rolle bei Hannover 96 übernimmt.

Wie wird die Stimmung im Stadion sein, falls Kind Senior sich durchsetzt und alle Macht behält?

Vermutlich erst einmal wieder sehr frostig. Angesichts des nicht enden wollenden Zoffs hinter den Kulissen des Vereins gibt es deftige Proteste. Der harte Kern der Fans begehrt mit Hilfe von Transparenten, Sprechchören und dem Abbrennen von Pyrotechnik auf. Dagegen will Kind hart vorgehen und hat angesichts der hohen Geldstrafen für den Verein, die die verbotene Pyrotechnik mit sich bringt, die Eintrittspreise ab der kommenden Saison deutlich erhöht. Angesichts dieser Konstellation bei Hannover 96 bleiben Verein und Stadion ein Pulverfass.

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