USA dagegen, Europa gespalten

In der EU begrüßen Spanien, Belgien und Irland die beantragten Haftbefehle gegen israelische Politiker. US-Präsident Joe Biden dagegen zeigt sich empört und sieht eine Gleichsetzung Israels mit der Hamas

Aus Jerusalem Lisa Schneider

Die internationalen Reaktionen fallen gemischt aus, nachdem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) am Montag bekanntgab, dass er Haftbefehle für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav Gallant sowie für drei Hamas-Größen Haftbefehle beantragt hat.

US-Präsident Joe Biden kritisierte die Entscheidung Karim Khans scharf: Einen Vergleich anzustellen zwischen der Hamas und den beiden israelischen Politikern sei empörend. Auch Petr Fiala, Ministerpräsident Tschechiens, erklärte: Dass Khan Haftbefehle für die „Repräsentanten einer demokratischen Regierung zusammen mit den Anführern einer islamistischen Terrororganisation“ beantrage, sei vollkommen inakzeptabel.

Weniger scharf äußerte sich etwa das Außenministerium Frankreichs. Paris erklärte, man unterstütze den IStGH und seinen Kampf gegen Straflosigkeit „in allen Situationen“. Gleichzeitig verurteile man die „antisemitischen Massaker der Hamas“ und deren „barbarische Angriffe auf Zivilisten, begleitet von Akten der Folter und der sexuellen Gewalt“. In einer Mitteilung Khans vom Montag wirft der Chefankläger der Hamas-Führungsriege eben jene Taten vor.

Paris erklärte weiter, man habe gegenüber Israel seit Monaten Alarm geschlagen, zur Einhaltung des Völkerrechts aufgerufen und auf die hohen zivilen Opferzahlen in Gaza und „einen unzureichenden humanitären Zugang“ hingewiesen. Dass Israel das Leid in Gaza absichtlich verursache und die humanitäre Lage als Kriegsstrategie nutze, ist ein zentraler Punkt des beantragten Haftbefehls gegen Netanjahu und Gallant.

Belgiens Außenministerin Hadja Lahbib stellte sich voll hinter Khan. Die beantragten Haftbefehle seien ein „wichtiger Schritt“, und alle in Gaza begangenen Verbrechen müssten „auf höchstem Level“ verfolgt werden. Der Antrag „sowohl gegen die Hamas als auch gegen israelische Amtsträger ist ein wichtiger Schritt bei der Untersuchung der Lage in Palästina“, so Lahbib.

Paris erklärte, man unterstütze den IStGH „in allen Situationen“

Die irische Staatsministerin Jennifer MacNeill betonte den Rückhalt, den der IStGH in Irland genieße. Khan habe „substantielle Arbeit“ geleistet. Regierungschef Simon Harris ging noch einen Schritt weiter und erklärte: Der Fokus der Welt müsse darauf liegen, dass heute palästinensische Kinder in Rafah noch am Leben seien – und es im Falle einer vollen israelischen Offensive in der Stadt vielleicht nicht mehr wären. Die Welt müsse mit dem Ruf nach einem sofortigen Waffenstillstand zusammenstehen.

Irland hat sich im Nahostkonflikt immer wieder mit den Palästinensern solidarisch gezeigt. Auch Spanien, unter seiner sozialdemokratischen Regierung, tendiert dazu. Schon im Oktober 2023 hatte die damalige Ministerin für Soziale Rechte, Ione Belarra, darauf gedrängt, Israel für seine Kriegsführung in Gaza vor den IStGH zu bringen. Beide Staaten planen, Palästina bald als Staat anzuerkennen.

Die Staaten der Europäischen Union sind also – wie so oft – in ihren Reaktionen gespalten. Während Deutschland und die konservativ regierten Länder Osteuropas tendenziell hinter Israel stehen, positionieren sich gerade Irland und Spanien am anderen Ende des Spektrums. Das ist keine neue Entwicklung. Schon seit Beginn des Krieges gegen die Hamas in Gaza, nach deren Terrorangriffen auf Zivilisten in Israel, zeigten sich die Differenzen: Etwa als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Oktober vorpreschte und sich deutlich für Israel positionierte – und prompt Kritik bekam, etwa von irischen Abgeordneten.