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Häusliche Gewalt nach TrennungenWenn der Gewalttäter Zugang hat

Fachleute warnen davor, gewalttätigen Elternteilen Umgang mit ihren Kindern zu erlauben. Das könne neue Gewalt auslösen.

Bei Umgangs- und Sorgerechtsverfahren sei das Risiko häuslicher Gewalt „besonders hoch“ schreiben Fachleute Foto: dpa/Fabian Sommer

Bremen taz | Vor neun Jahren fand die Polizei eine 44-jährige Frau stranguliert in ihrer Wohnung in der Bremer Neustadt. Dringend tatverdächtig war und ist der Vater ihrer zwei Kinder, damals vier und sieben Jahre alt. Im März 2015, wenige Tage nach der Tat, flog er mit den Kindern in die Türkei, seitdem wird erfolglos nach ihm gefahndet. Er sei weiter flüchtig, bestätigte jetzt die Staatsanwaltschaft Bremen.

Vor der Tat, so hatte es ein Sprecher der Sozialbehörde der taz geschildert, hatten sich die Eltern im Jugendamt getroffen, um über die schwierige Sorgerechts-Konstellation zu sprechen. Denn das Mädchen lebte beim Vater, der autistische Junge bei der Mutter.

Um den Kontakt zu ihrer Tochter nicht zu verlieren, hatte die Frau eine vom Amtsgericht verfügte Gewaltschutzverordnung gegen ihren gewalttätigen Ex-Partner aufheben lassen. So durfte er sich wieder ihr und ihrer Wohnung nähern. Am 13. März wurde sie das letzte Mal lebend gesehen.

Dieser Fall taucht nicht auf in der Antwort des Bremer Senats auf eine parlamentarische Anfrage der SPD-Fraktion zum „Schutz von Müttern vor Gewalt in Umgangs- und Sorgerechtsverfahren“. Denn der Senat hat dafür nur die Fälle der vergangenen fünf Jahre untersuchen lassen, bei denen jemand eine Frau aufgrund ihres Geschlechts umgebracht oder es versucht hat.

Großes Risiko bei Sorgerechtsverfahren

Zwölf Ermittlungsverfahren habe es in diesem Zeitraum gegeben. In keinem habe ein Zusammenhang zu Besuchskontakten zwischen Vätern und Kindern bestanden, heißt es in der Antwort.

Weitere Daten zu Gewalt gegenüber Frauen in diesem Kontext jenseits von Mord und Totschlag würden nicht erhoben, weder von der Polizei noch vom Jugendamt. Das sei auch nicht notwendig, schreibt der Senat, weil sich „nach Wahrnehmung“ der Staatsanwaltschaft „bei Besuchskontakten zwischen Vätern und Kindern keine relevante Häufung von Fällen von Gewalt gegenüber Müttern“ ergebe. Bekannt sei, dass Gewalt häufig in Trennungsphasen verübt werde.

Fachleute kommen zu einer anderen Einschätzung. Das Risiko sei auch in Zusammenhang mit Umgangs- und Sorgerechtsverfahren „besonders hoch“, schreiben beispielsweise Monika Schröttle und Maria Arnis in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung. Beide forschen am Institut für empirische Soziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zu Gender und Gewalt.

In dem Beitrag heißt es auch: „In der gängigen Praxis der Familiengerichte wird der Schutz von Frauen (und ihren Kindern) vor Gewalt häufig unzureichend beachtet und die Durchsetzung des Umgangs- und Sorgerechtes für gewalttätige Väter priorisiert.“

Kommission fordert Schulungen

Das hatte auch die unabhängige Grevio-Kommission im Auftrag des Europarats moniert, die die Umsetzung der 2017 von Deutschland ratifizierten Istanbul Konvention untersucht hatte. Dieser Vertrag verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, Frauen und Mädchen effektiv vor Gewalt zu schützen.

Die Kommission fordert in ihrem Bericht aus dem Jahr 2022 daher deutsche Behörden dazu auf, alle in Umgangs- und Sorgerechtsfälle involvierten Fachkräfte so zu schulen, dass sie sich der „negativen Auswirkungen von Gewalt eines Elternteils gegen den anderen Elternteil auf Kinder gebührend bewusst sind“.

Zudem müssten sie Verfahren entwickeln, mit denen überprüft wird, ob es Gewalt eines Elternteiles gegen einen anderen gab und was daraus folgte. Das schließt ausdrücklich Rich­te­r:in­nen ein, die gegen den Willen von Mutter und Kind Umgang mit einem gewalttätigen Vater anordnen können. Dass sie dies nicht nur in seltenen Einzelfällen tun, hatte 2022 der Norderstedter Soziologe Wolfgang Hammer anhand einer Fallsammlung dargelegt.

Der Bremer Senat handelt das Thema in seiner Antwort kurz ab. Anders als Po­li­zis­t:in­nen würden Rich­te­r:in­nen nicht regelhaft zu dem Themenkomplex geschult, die Entscheidungspraxis der Familiengerichte zu untersuchen, verletze die Unabhängigkeit der Justiz. Die Grevio-Expert:innen appellieren hingegen „nachdrücklich“ an die deutschen Behörden, die Rechtspraxis zu analysieren.

In einer Fußnote verweist die unabhängige Kommission darauf, „dass Umgangsregelungen für die Fortdauer körperlicher und emotionaler Misshandlungen von Kindern und Frauen von Bedeutung sein können, selbst wenn ein hohes Maß an Überwachung gegeben ist; dass der Umgang mit Kindern häufig die intime Beziehung als Instrument der Männer zur Kontrolle von Frauen ersetzt, wodurch der Umgang mit Kindern zu einer Form der Gewalt nach einer Trennung werden kann“.

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3 Kommentare

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  • vor Gewalt häufig unzureichend beachtet und die Durchsetzung des Umgangs- und Sorgerechtes für gewalttätige Väter priorisiert.“

    Ich möchte darauf hinweisen, dass es nicht nur das Umgangsrecht des Vaters mit dem Kind ist sondern auch das Umgangsrecht des Kindes mit dem Vater. Es hat nicht nur der Vater Recht auf Umgang mit seinem Kind, auch das Kind hat erstmal ein Recht auf Umgang mit dem Vater.



    Das macht die Sache so heikel, man nimmt nämlich mit der Streichung des Umgang halt auch dem Kind etwas weg.

  • Das erlebe ich oft bei meiner ehrenamtlichen Tätigkeit.



    Z.B sollte einem Vater, der wegen Kinderpornografie aufgefallen war, der Umgang mit seiner damals 6jährigen Tochter erlaubt werden.

    Erst auf massiven Protest von uns, wurde begleiteter Umgang angeordnet.

    Eine Polizistin sagte der Ehefrau. Er sei doch so ein gutet Musiker, sie solle sich das mit der Scheidung nochmal überlegen.

    Die Schulleitung des Gym., wo er tätig war, hat ihn allerdings sofort entlassen.

    • @M. S.:

      Ich empfehle Ihnen die Auswertung der Fällesammlung von Herrn Hammer zu lesen.



      Das geht daraus eindeutig hervor.



      In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit bzgl. alleinerziehender Väter und Mütter war diese Schräglastigkeit, einseitig hin zu den Väterrechten, egal. was dies mit den Kindern macht zu beobachten,, aber auch häufig dieselben Verfahrensfehler, in dem sich der Richter selber als Fachmann über das Kindeswohl und dessen Abwägung zu anderen Rechtsgütern aufgeschwungen haben.

      Ganz absurd wurde es, indem Jugendamtsvertreter die Rechtslage vorab selber rechtlich auslegen, indem sie der Meinung waren Kinder müssten auf jeden Fall dem Umgangsrecht des kindesmissbrauchen den Vaters zugeführt werden. Diese entschieden dies regelm. unterschwellig in ihrer alltäglichen Arbeit.



      Dies entspricht nicht nur einer Schieflage, sondern einem Missstand in der Umgangsrechtspraxis.