Marshall-Plan gesucht

Konferenz in Berlin zum Wiederaufbau der Ukraine

Von Tanja Tricarico

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj tourt derzeit durch die Welt; er wirbt um weitere Hilfen für sein Land im Krieg. Es geht um Waffen im Kampf gegen­ die russische Invasion, aber auch um wirtschaftliche Unterstützung, konkret: um Investitionen von Unternehmen, die Jobs schaffen und das Bruttoinlandsprodukt am Laufen halten. Denn auch dies ist Teil der Verteidigungsstrategie gegen den Aggressor Wladimir Putin.

In den vergangenen Monaten hat die russische Armee gezielt Energieversorger, öffentliche Plätze und Wohngebäude beschossen. Attacken auf die Zivilbevölkerung gehören zu ihrem militärischen Vorgehen. Aber noch während der Krieg läuft, soll die Zerstörung in der Ukraine nicht nur beseitigt, sondern Infrastruktur kontinuierlich wieder aufgebaut werden.

Ein Ende der Kriegshandlungen ist derzeit nicht in Sicht, stattdessen ist nach wie vor ein Vormarsch von Putins Armee vor allem im Osten der Ukraine zu sehen. Und wie lange die ukrainische Armee standhalten kann, ist derzeit völlig unklar. Waffennachschub der internationalen Verbündeten ist auf dem Weg, doch die Zögerlichkeit vieler Partner sowie nationale Haushaltsstreitigkeiten verschleppen die militärische Aufrüstung der Ukraine.

In diesem Spannungsfeld soll am 11. und 12. Juni in Berlin eine Wiederaufbaukonferenz stattfinden. Es ist seit Februar 2022 die vierte dieser Art. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit der Ukraine in die Hauptstadt eingeladen, die Federführung liegt beim Auswärtigen Amt und beim Bundesentwicklungsministerium. Rund 1.500 Teil­neh­me­r:in­nen erwarten Kanzler Olaf Scholz und Präsident Selenskyj. Es geht vor allem auch um Geld. Ukrainischen Schätzungen zufolge wird der Wiederaufbau des Landes mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten.

Das Geld muss aus der Privatwirtschaft kommen und von den Verbündeten. Auch eingefrorene russische Vermögen werden immer wieder genannt, die die Finanzlücke schließen sollen. Allerdings gibt es bei diesem Vorschlag erhebliche juristische und politische Hürden. Gekoppelt sind die Hilfen an verschiedene Prinzipien, die bei der ersten Wiederaufbau-Konferenz 2022 im schweizerischen Lugano entworfen wurden, und die die Ukraine erfüllen soll.

Konkret geht es dabei etwa um den Kampf gegen Korruption, und um Nachhaltigkeitskriterien. Werden die Bedingungen erfüllt, wird das auch in die Verhandlungen zu einem EU-Beitritt der Ukraine einfließen. Es geht also um einiges. International fiel bereits immer wieder der Begriff eines „Marschall-Plans“ für die Ukraine, angelehnt an den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.