Der lange Weg zur Parität

Indiens Frauen engagieren sich zunehmend in der Politik – doch haben sie viel aufzuholen

In der indischen Politik stellt die Vertretung von Frauen weiterhin eine Herausforderung dar. 1957 wurden 22 weibliche Abgeordnete in das Unterhaus des Parlaments gewählt, das damals aus 494 Mitgliedern bestand. Bis 2019 hat sich diese Zahl auf 78 von 543 Sitzen erhöht – der bislang höchste Frauenanteil. Dennoch beträgt er nur 14 Prozent. Im Oberhaus des Parlaments sind derzeit etwa 16 Prozent Frauen vertreten.

Immerhin war bei den letzten Wahlen die Erfolgsquote bei den weiblichen Kandidaten mit 10,74 Prozent höher als bei den männlichen mit 8 Prozent. Insgesamt ist die Zahl der weiblichen Kandidaten für die Parlamentswahlen aber nach wie vor gering. 2014 lag sie bei acht Prozent, 2019 bei neun Prozent und in diesem Jahr sind es 9,6 Prozent. Auf 150 Sitze bewarb sich keine Frau. Von insgesamt 8.337 Kan­di­da­t:in­nen waren 797 weiblich.

In diesem Jahr führte die BJP unter den großen Parteien mit 69 weiblichen Kandidaten von 440 (16 Prozent). Die Kongresspartei folgte mit 41 Frauen von 327 Kan­di­da­t:in­nen (13 Prozent) und der Partei der Mehrheitsbevölkerung (BSP) mit 38. Manche kleinere und regionale Parteien weisen einen höheren Anteil an weiblichen Kandidaten auf. Bei der TMC in Ostindien liegt die Frauenquote etwa bei 28 Prozent.

Auffällig ist, dass seit 2009 Frauen ihr Wahlrecht in immer höherer Zahl wahrnehmen. Die jüngste Frau, die in Indiens Unterhaus gewählt wurde, war 2019 Chandrani Murmu mit 25 Jahren.Seit der Unabhängigkeit Indiens 1947 ist die politische Gleichstellung von Frauen in der Verfassung verankert. Die versprochene Gleichberechtigung entspricht jedoch nicht immer der gelebten Erfahrung. Bei den ersten nach Geschlecht aufgeschlüsselten Wahlen 1962 gaben 47 Prozent der wahlberechtigten Frauen ihre Stimme ab, gegenüber 63 Prozent der Männer. 2019 war die Zahl der Frauen erstmals höher als die der Männer.

Die Erwerbstätigkeit für Frauen indes liegt – je nach Schätzung – zwischen 26 und 33 Prozent – und damit niedriger als bei jedem anderen Mitglied der G20. Der Durchschnittswert von Ländern mit „unterem mittleren Einkommen“ – wie Indien – liegt nach Angaben der Weltbank bei 38 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 56 Prozent.

Natalie Mayroth