Die Wahrheit: Merkwürdige Flüssigkeit von oben

Wo das Wetter wirklich herkommt: Wie kann nur irgendjemand den Vorhersagen von Apps nicht vertrauen? Manche blenden einfach die Realität aus.

Frau am See im Regen

Von allen Seiten nass im wechselhaften Frühling Foto: Pierre Adenis

Ich möchte keine Namen nennen, weil es mir fern liegt, andere Menschen für ihr Fehlverhalten namentlich zu outen, denn damit würde ich sie nur dem wütenden Spott einer objektiv betrachtet zu Recht aufgebrachten Menge zum Fraß vorwerfen. Das aber verbietet mein Großmut. Daher drücke ich es mal so aus: In meinem näheren Umfeld sind gewisse Personen zugange, die es nicht nur ablehnen, sich auf seriösen Seiten im Internet über das aktuelle Wettergeschehen zu informieren, sondern die sich obendrein noch in kindisch überheblicher Manier über Menschen wie mich lustig machen, die die Gewissenhaftigkeit besitzen, genau das zu tun.

Wir sind also im Garten – ich sag der Verschwiegenheit halber natürlich nicht, wer, wo und in welchem Garten –, und am Nachmittag ziehen im Norden ein paar dunklere Wolken auf. Daraufhin entspinnt sich das immer gleiche absurde Gespräch. Denn genannte Person fängt nunmehr vollkommen unüberlegt an, zu labern, „ui“, das Wetter werde wohl schlecht, „guck mal“, wenn das mal nicht bald anfinge zu regnen.

Mit einer Schafsgeduld erinnere ich sie an die ausgiebige Lesung der Wetterdaten auf meinem Taschentelefon, die ich für sie sowie weitere potenziell Interessierte (Vögel, Bäume, Eichhörnchen) erst beim Frühstück abgehalten habe. Ich müsste das überhaupt nicht tun, denn jede ist am Ende für ihr eigenes Glück verantwortlich. Wer nicht aufpasst, ist selbst schuld. Dennoch rekapituliere ich exklusiv für sie: „Nach zwölf Uhr sinkt die Regenwahrscheinlichkeit von 35 Prozent auf 15 Prozent und später bis zum Abend hin sukzessive auf null Prozent.“ Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich ein großer Fan von Wetterberichten bin?

Ich sähe doch, „dass das Wetter schlecht wird“, widerspricht sie uneinsichtig. Dort hinten sei es „schon ganz schwarz“. Als käme es hier auf irgendwelche x-beliebigen Farben an. Angesichts dieses inkompetenten Geschwurbels fällt es mir immer schwerer, ruhig zu bleiben. „Laut wetter.com wird das Wetter nicht schlecht, folglich wird es nicht schlecht.“

Denkfehler im Umfeld

Für sie zähle nicht das Internet, sondern die Realität, beharrt die Person aus dem Umfeld nunmehr, und auf einmal weiß ich, wo ihr Denkfehler liegt. Denn die Realität, das ist nun mal das Internet. Und nicht irgendeine halbschaurige Feld-Wald-und-Wiesen-„Realität“ aus dem Bauch heraus. Homo eso statt Homo sapiens. Da ist jemand anscheinend schon als Kind in das Fass mit den Parallelfakten gefallen.

Eine derart offenkundige Ablehnung von wissenschaftlich erarbeiteten, für den Endverbraucher verständlich aufbereiteten und mittels moderner Technik kommunizierten Tatsachen macht mir richtiggehend Angst. Wenn scheinbar mündige Bürger nicht mal mehr mit simplen Wetterdaten zu erreichen sind, was bedeutet das dann für unsere Gesellschaft und die ungeheuer schwierigen Aufgaben, die auf sie zukommen: Klimaschutz, Rechtsruck, Überbevölkerung?

Und mindestens so bedenklich: Was mögen das für „Menschen“ sein? Und was hat sie zu solchen Realitäts- und Technikverweigerern gemacht? Die sind doch völlig unberechenbar. Fressen Fliegenpilze, Stechapfel oder Bilsenkraut und lassen sich in einem „Wetterzelt“ von irgendeinem sabbernden Schamanen im Wolfspelz den alternativen Wetterbericht für gefährliche Knallköpfe vortanzen. Oder sie gucken in den Himmel und lesen irgendeinen Schwachsinn aus den Wolken ab. Das muss man sich bloß mal vorstellen.

Desinformation der Natur

Gäbe es so etwas wie die Seite „querdenkwetter.ru“, würde sie das wahrscheinlich sogar in den Kreis der Wetterberichts-Aficionados zurückholen. Doch um welchen Preis. Schließlich gibt es Desinformation nicht nur in der Natur, sondern längst auch im Netz. Das streite ich ja gar nicht ab; da gilt es dann eben, Medienkompetenz zu beweisen.

Jetzt tropft auf einmal auch noch irgendeine Flüssigkeit von oben runter. Bäh. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast meinen, es regnet. Aber so kann ich unbesorgt in meinem Liegestuhl sitzen bleiben. Je weniger Beachtung ich dem Trugbild schenke, desto schneller wird es verschwunden sein.

Besagte Umfeldperson zieht sich jedoch auf die überdachte Veranda zurück. Ach du meine Güte – ein Mindset wie aus der Bronzezeit. Sie tut mir echt leid.

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kari

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