meinungsstark
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Primitive Einschüchterungsversuche

„Demo in Dresden nach Angriff auf Ecke: Demokraten vereint nach Anschlag. Nach dem Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke machte eine Spontandemo in Dresden Hoffnung. Diese war leidenschaftlich wie selten“, taz vom 6. 5. 24

„Wir halten nicht viel von langwierigen Begründungen, von Herleitungen, von der systematischen Stimmigkeit unseres Handlungsantriebs. Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“

Dies ist ein Zitat von Götz Kubitschek, Verleger und Aktivist der Neuen Rechten; eine Absage an die offene Gesellschaft, an demokratische Verfahren. So scharf wurde sie vorher nur von den Nationalsozialisten ausgesprochen. Die aktuellen Angriffe auf Politiker und Wahlplakat-Kleber deuten an, dass auch so gehandelt wird.

Ich erinnere mich: Als ich vor mehr als sechzig Jahren in Rüsselsheim am Main mit einem Kollegen für die damals existierende, dann bald verschwundenen DFU (Deutsche Friedensunion) Plakate klebte mit dem Bild von Albert Schweitzer, dem Arzt von Lambarene und evangelischen Theologen aus dem Elsass, ging uns der Kleister aus. Da halfen uns die Kollegen von der SPD und gaben uns welchen. Vermutlich gab es in damaliger Zeit auch gelegentlich Rempeleien, und Plakate wurden abgerissen oder mit Spott überklebt. Aber das barg Risiken, denn das Zerstören von Wahlplakaten war strafbar. Bei diesem Angriff ging es ja nicht nur um Plakate, sondern auch um Politiker und die von ihnen vertretenen Meinungen.

Personen wegen ihrer politischen Haltung tätlich anzugreifen, ist Terror. Und dem zu widerstehen, vor allem auch, wenn er gegen die Familie, gegen das Eigentum angedroht wird: Wer hat dazu den Mut? Mit solchem Vorgehen haben die Nationalsozialisten ihre Gegner ausgeschaltet. Das ist der Tod der Demokratie, und den wollen anscheinend manche auch. Anders können die Pläne zur „Remigration“ nicht verwirklicht werden. Dieter Kramer, Dörscheid

Kaum vorstellbar: Realität in Gaza

„Can music save our souls?“,wochentaz vom 12. 5. 24

Wenn ich mir vorstelle, dass mein Haus plötzlich abgerissen oder abgebrannt wird, meinen Kindern alle Perspektiven genommen werden, ich jeden Tag stundenlang über Potsdam und mehrere Checkpoints zu meiner schlecht bezahlten Arbeitsstelle nach Ost-Berlin fahren muss, Demütigungen ausgesetzt bin … ich glaube schon, dass mich das verändern würde.

Rache (Auge um Auge) hat schon in Süditalien ganze Generationen von Männer-Leben gekostet und sich als Irrweg erwiesen. Ich habe mal gelesen, dass in den Aufständen der Intifada mindestens 10-mal mehr Palästinenser ums Leben gekommen sind als Israelis. Im aktuellen Gaza-Konflikt sind wir wohl jetzt bei Faktor 30, Tendenz steigend. Dazu ein systematisches, militärisch organisiertes Aushungern der palästinensischen Bevölkerung auch in den israelisch kontrollierten (!) Gebieten.

Die Hamas hat bei ihrem Überfall auf Israel gezeigt, dass sie alle Israelis (auch Kinder) als Feind ansieht und vertreiben oder töten möchte. Was die israelische Regierung mit breiter Unterstützung in Militär und Bevölkerung tut, zeigt ein ähnliches Denken, nämlich die gesamte palästinensische Bevölkerung inklusive der Kinder anzugreifen. Protest gegen Gewalt solchen wuchtigen Ausmaßes ist immer symbolisch und hilflos. Hier setzt dann filigrane Kritik an. Sind denn Ort, Symbol, Zeitpunkt oder Kontext richtig gewählt? Vielleicht findet sich in 50 Meter Umkreis ja noch ein Demonstrant, der „From the River tot he Sea“ ruft … oder nicht nur laut ruft, sondern auch hasserfüllt aussieht. Oder man argumentiert, dass Kritik an rassistischen israelischen Handlungen in der aktuellen Situation letztendlich das Existenzrecht Israels in Frage stellt. Wenn das israelische Militär bei jeder Bombe eine solche überlegte Sorgfalt walten ließe, wären die Opferzahlen bei weitem nicht so hoch. PS: „Wegen schlechtem Wetter fand die deutsche Revolution in der Musik statt.“ (Kurt Tucholsky)

Hans-Ulrich Kobialka, Bonn