american pie: Schall und Rauch
Eine Diskussion über politisch korrekte Teamnamen ist entflammt. Diesmal im Visier: der Teufel, vornehmlich jener aus New Jersey
Der Jersey Devil ist ein gar fürchterliches Wesen. Man sagt, er spuke noch heute durch die Wälder des südlichen New Jersey. Zuletzt wurde das Ungeheuer vor einem Jahr gesichtet. Im Netz wird Buch geführt über derlei unheimliche Geschehnisse. Es soll auf Schwingen daherkommen, Klauen besitzen und Hufe, die so aussehen wie eine waschechte Chimäre. Das Ungetüm hat einen flauschigen Bruder, der sich nicht im Unterholz versteckt, nein, er mischt sich munter unters Volk. Er tut in den Reihen der New Jersey Devils Dienst, eines Eiskockeyteams der Profiliga NHL.
Der Bursche ist ein freundlicher Zeitgenosse, obwohl ihm zwei Hörner gewachsen sind, die Insignien des Leibhaftigen. Kinder knuddeln den Teufel trotzdem gern. Das liegt vielleicht an seinem durchaus gewinnenden Äußeren; zu den Hörnern trägt das Maskottchen einen verwegenen Schnauzer, der an Clark Gable in „Vom Winde verweht“ erinnert. Der Eisteufel hat phänotypisch rein nichts mit dem Waldteufel zu tun, doch manch einem in New Jersey packt die nackte Angst, wenn er nur an Eishockey denkt. „Ich zucke immer zusammen, wenn die Leute sagen, sie würden zu den Devils gehen“, sagt Craig Stanley und lässt damit einen brunnentiefen Blick in seine sorgenvolle Seele zu. New Jersey Devils, dieser Name ist ihm Schall und Schwefelrauch.
Der Mann ist Politiker, Demokrat – und gleichzeitig evangelikal bewegt. Stanley missioniert also im doppelten Sinne, was ihn als einen Querulanten erster Güte ausweist. In der „Newark’s Bethlehem Missionary Church“ lädt er spirituell auf, um den Gotteslästerern die Hölle heiß zu machen. Dem auf kaltem Element kurvenden Teufel müssten schleunigst Kufen und Hörner gestutzt werden, fordert er. Wo kämen das grundanständige New Jersey und die amerikanische Gesellschaft hin, wenn das Böse Pirouetten drehen und sich sogar in den Kinderzimmern junger Eiskockeyfans breit machen dürfe. Stanley, der nach Recherchen der taz nicht Namensgeber des Stanley-Cups ist, drängt auf Umbenennung des Eishockeyteams.
Anlass dazu gäbe der Umzug der Mannschaft in eine neue Arena im Jahre 2007. Dann wird der dreimalige Stanley-Cup-Gewinner von East Rutherford nach Newark umsiedeln, in eine nagelneue Halle, die 18.000 Zuschauern Platz bietet. Stanley will den Vorschlag demnächst in die Stadtverordnetenversammlung einbringen. Die Einwohner von New Jersey sollen danach, so will es der Gottesmann, einen neuen Namen finden, einen unverfänglichen, einen aus der Mottenkiste des US-Sports vielleicht. Dort ruhen etwa die Boston Puritans und die Beaneaters aus der gleichen Stadt, die Allegheny Innocents, die St. Louis Perfectos oder die Spokane Shockers.
Seit 1982 teufelt der Devil in New Jersey übers Eis. Niemand hatte sich groß daran gestört, zumal das Monstrum regionalen Ursprungs war. Im 18. Jahrhundert entsprang er der Fantasie einer von Gott geprüften Frau. Da diese bereits zum 13. Mal niederkam und sie die Lust am Gebären verloren hatte, verwünschte sie die Frucht ihres Leibes. Diese verwandelte sich schwuppdiwupp in das teuflische Fabelwesen und schwebte hinweg. Stanley ist es aber gleich, ob nun der Antichrist im Fanshop über die Ladentheke geht oder nur eine Ausgeburt des Satans. Derlei lästerliche Dinge hätten in seiner Stadt keinen Platz.
Es könnte nicht der letzte Stanley-Coup gewesen sein. Denn das Unkraut des politisch Unkorrekten wuchert wild auf Gottes Weinberg. Da gibt es die Baseball-Spieler aus Washington, die sich Redskins (Rothäute) nennen, es gibt zudem die Cleveland Indians. Hier ist der Fall allerdings verzwickter, die Argumente sind stichhaltiger. Lacht diese Namensgebung den Ureinwohnern nicht Hohn? Werden sie nicht mit jedem Schlag verspottet und die Morde an ihnen verharmlost, da sie in der Sportindustrie nur als folkloristischer Gag herhalten? Eine Reihe von College-Teams hat sich dem Druck gebeugt und ihre Teams neu getauft.
Die Redskins überzeugten indes ein Bundesgericht, dass sie mit ihrem Teamnamen nichts Böses im Schilde führten. Aber wer weiß, vielleicht tun es die Tampa Bay Devil Rays respektive Buccaneers, die Pittsburgh Pirates oder das Hartford Wolf Pack. Sie könnten mit dem Teufel gemeinsame Sache machen.
MARKUS VÖLKER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen