Personalmangel an Kitas: Generation V wie Vernachlässigt
Beschäftigte der Kita-Eigenbetriebe beklagen Unterbesetzung. Sie fordern den Senat zu Tarifverhandlungen auf.
„Die Kluft zwischen dem, was soll, und dem, was ist, ist unüberwindbar geworden“, sagt die pädagogische Fachkraft Anne Lembcke. Ihr Anspruch sei es, Kinder in ihren Entwicklungs- und Bildungsprozessen zu unterstützen, in der Realität könne sie aber lediglich die Aufbewahrung gewährleisten.
In den Kitas herrsche eine Personalkrise, zugleich erhöhten sich die fachlichen Anforderungen des Gesetzgebers und der Förderbedarf von Kindern. „Viele Fachkräfte sehen keinen anderen Weg, als sich zurückzuziehen“, sagt Lembcke. Aufgrund der Arbeitsüberlastung hätten auch psychischen Erkrankungen stark zugenommen. In der Folge müssten einzelne Gruppen und ganze Kitas immer wieder schließen. „Das sind keine Notlösungen mehr, das ist Alltag geworden“, sagt Lembcke.
Pädagogik bleibt auf der Strecke
Mascha Krüger, Mutter und Gründerin der Elterninitiative „Einhorn sucht Bildung“, kritisiert, dass die Schließungen eine langfristige Planung für Eltern nicht möglich machten. „Die Kita ist nur darauf angesetzt, offen zu haben. Da ist keine Kapazität mehr für pädagogische Arbeit“, sagt sie. Dabei lege die frühkindliche Bildung den Grundstein für die Zukunft. „Ist das der Anspruch der Gesellschaft, die Kinder so in die Zukunft zu entlassen?“
Weil sie sich damit nicht zufriedengeben wollen, fordern die Beschäftigten der Eigenbetriebe einen Tarifvertrag. Sie verlangen eine festgelegte Mindestpersonalausstattung, um eine „verbindliche Fachkraft-Kind-Relation“ gewährleisten zu können. „Auch wenn wir auf dem Papier gut besetzt sind, mangelt es aufgrund von Urlaub, Fortbildungen und Krankheit oft an Personal vor Ort“, berichtet Lembcke. Sollte die Mindestpersonalausstattung nicht eingehalten werden, fordern sie einheitliche Rahmennotfallpläne, mit denen die Belastung ausgeglichen wird.
Zudem soll es mehr Zeit für die Ausbildung geben. Weil Auszubildende missbraucht würden, „um fehlendes Personal auszugleichen“, müsste ihre Ausbildung oftmals „nebenbei“ erledigt werden, sagt Verdi-Sekretärin Bettina Weitermann. Ihr sei klar, „dass das ein ziemlich dickes Brett ist, das wir bohren werden“. Aber das Thema dürfe nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Vergangenen Freitag haben sie das Land Berlin schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert und Terminvorschläge für Mitte Mai unterbreitet. Eine Reaktion habe es bislang nicht gegeben. Die Fachkräfte sind sich indes einig: Wenn es sein muss, sind sie auch bereit zu streiken, um ihre Forderungen durchzusetzen.
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