„Fantastische Stimmung“

Ganze Heere von Polizisten schützen allwöchentlich den Fußball

Ein Polizeihubschrauber kreist über dem Berliner Südosten. Etliche Straßen, auch die Hauptverkehrswege rund um das Stadion an der Alten Försterei sind gesperrt. Der Straßenbahnverkehr im Bezirk Köpenick ist eingestellt. Weit mehr als zwei Stunden vor dem Anpfiff des Zweitligaspiels zwischen den 1. FC Union und Hansa Rostock patrouillieren Heerscharen von behelmten und gepanzerten Polizeibeamten im Bezirk. Rund 1.000 Polizisten sind im Einsatz. Mobile Verwahranstalten werden postiert. Ostderby. Höchste Sicherheitsstufe. Ein Aufsteiger in die Zweite Liga spielt gegen den Beinahe-Absteiger aus der Vorsaison vor 17.500 Zuschauern. Der Berliner Südosten befindet sich im Ausnahmezustand.

Am Wochenende haben sich die Innenminister der Bundesländer in Chemnitz getroffen. Eines ihrer Themen: die Sicherheitssituation rund um Fußballspiele. Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) ist sich sicher: Gegen Fangewalt hilft nur massive Polizeipräsenz. Kollege Albrecht Butollo (CDU) ist stolz: In Sachsen werden jetzt sogar Fanprojekte unterstützt. Besonders toll aber findet er die unbemannten Drohnen, die während der Risikospiele über den Städten kreisen und fleißig Bilder knipsen. Sie singen das Hohelied auf den wöchentlichen Ausnahmezustand.

Die Gewerkschaft der Polizei fordert von der Deutschen Fußballliga eine jährliche Gebühr von 75 Millionen Euro. Die rentable Liga soll sich an den Einsatzkosten beteiligen. Theo Zwanziger, der DFB-Präsident, fände das eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“. 700 Millionen Euro an Steuern würden die Klubs jedes Jahr abführen, das sei genug. Glaubt der ehemalige Politiker (CDU) tatsächlich, dass besonders viel Leistung vom Staat erwarten darf, wer viel Steuern zahlt? Zwanziger – ein Verbandspräsident im geistigen Ausnahmezustand.

Das Spiel in Köpenick ist vorbei. Hansa Rostock bedankt sich nach der 0:1-Niederlage „bei dem Großteil der friedlichen Fans, die mit ihrem besonnenen Verhalten dafür gesorgt haben, dass es keine Ausschreitungen gegeben hat“. Von den 200 Rostocker Fans, die nicht ins Stadion gelassen wurden, weil sie Karten für den Berliner Fanblock hatten und die dagegen mit einer Sitzblockade vorm Stadion und Flaschenwürfen gegen die Beamten protestierten, redet er nicht. Hansa-Coach Andreas Zachhuber meinte nach dem Spiel: „Fantastisches Stadion, fantastische Stimmung – Glückwunsch an Union“. Eineinhalb Stunden nach dem Abpfiff fahren die ersten Straßenbahnen wieder. Ende des Ausnahmezustands.

ANDREAS RÜTTENAUER