berliner szenen: Hauptkrater unter Pankow
S. und ich sitzen vor einer italienischen Bar in der Rosenthaler Straße, trinken Aperol Sprizz und ich lasse mein Neapel-Gefühl aufleben. Über Ostern habe ich meine dort studierende Tochter besucht und seit meiner Rückkehr kam mir Berlin wie ein urbaner Kurort vor. Hier direkt an der Rosenthaler an einem Freitagabend aber ist es ähnlich lebhaft wie in Neapel. Der Verkehr, die Sirenen von Krankenwagen und Polizei, die Menschen, die sich auf dem schmalen Fußweg an den Tischen vorbeidrücken, ständig werden wir angesprochen, nach Feuer gefragt oder nach Geld und Zigaretten. Ab und an läuft jemand vorbei, den ich kenne, man winkt sich zu und ich erzähle von meinem neapolitanischen Gefühl, der Geschichte, der wilden Schönheit der Häuser und Gassen, der brodelnden Energie, dem verrückten Verkehr und den Menschen, die ganz im Moment leben.
„Man spürt irgendwie, dass die Stadt zwischen zwei Vulkanen liegt“, sage ich und S. antwortet: „Das glaube ich, und wusstest du, dass unter Berlin auch ein Vulkan ist? Er ist abgekühlt, aber er liegt etwa 4 Kilometer unter der Stadt.“ Ich sehe sie ungläubig an. „Kann man nachlesen. Unter Pankow ist der Hauptkrater. „Ich staune, werde dabei aber unterbrochen, denn ein Mann mit Fahrrad hält neben unserem Tisch. Er trägt eine Nickelbrille und strahlt mich an. Ich lächle etwas verunsichert. Er kommt näher und sagt: „Ihr seht ja so gepflegt aus.“ „Wie bitte?“, frage ich, weil ich meine, ich habe mich verhört. „Ihr seht so gepflegt aus, wie ihr so dasitzt“, wiederholt der Mann. „Ja, wir haben tatsächlich mal geduscht“, sagt S. Wir lachen. Der Mann irgendwie nicht. Er will eine Zigarette und auch noch Feuer. Dann steigt er auf sein Fahrrad und fährt weiter.
„Das mit dem Vulkan unter Berlin erklärt vielleicht einiges“, sage ich. Und S. nickt wissend. Isobel Markus
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