DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Die Revolution kam nicht

WAS SAGT UNS DAS? Das Frankfurter Occupy-Camp feiert halben Geburtstag

Sie reden über die Revolution. Oder eben über das Saubermachen der Camp-Küche

Im Oktober 2011 stürzten sich die Medien auf die nach Deutschland überschwappenden Occupy-Proteste. Getrieben von der Sehnsucht nach einer neuen sozialen Bewegung suchten sie die Revolution, die sich aus den Zelt-Camps deutscher Innenstädte ausbreiten sollte.

Doch die Revolution kam nicht, der mediale Hype ebbte ab. Weltweit wurden Camps geräumt. In Frankfurt verkleinerte sich die Zeltstadt über den Winter zwar, aber noch immer harren dutzende Occupisten im Schatten der Banktürme aus. Sie feierten am Sonntag ihr halbjähriges Jubiläum.

Für viele Linke sind sie zu angepasst, für die Angepassten zu kritisch – und für die Medien liefern sie nicht mehr die gewünschten Schlagzeilen. Dies liegt am Gewaltverzicht sowie an der bewusst fehlenden programmatischen Ausrichtung: Die AktivistInnen wollen sich „Raum für Fragen“ nehmen. Deshalb müssen alle Standpunkte und das organisatorische Klein-klein stets ausdiskutiert werden.

All diese Probleme hängen mit der Organisationsstruktur der heterogenen Bewegung zusammen: Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen, niemand soll ausgeschlossen werden. Die besten Ideen sollen sich habermasianisch im Diskurs durchsetzen. Diese fehlende Substanz wurde ihnen immer wieder vorgeworfen. Doch es motiviert die weiterhin enthusiastischen Aktiven, wenn Professoren, Junge und Alte, Obdachlose und Prostituierte gemeinsam über die Revolution reden.

Oder eben über das Saubermachen der Camp-Küche.

TIMO REUTER