Osman EnginAlles getürkt
: Ramadan am Nordpol

Gestern ging der Fastenmonat Ramadan zu Ende und heute fängt das dreitägige Zuckerfest an. Was auch Ramadanfest genannt wird. Vergleichbar mit dem Weihnachtsfest, wo mit der gesamten Familie drei Tage lang der Magen so richtig vollgehauen wird.

Ich war aber bereits vor dem Ramadan am Ende! Nicht vor Hunger wegen des Fastens, sondern mit den Nerven vor lauter Ärger!

Eigentlich soll der Sinn des Ramadans ja sein, dass man einen Monat lang jeden Tag fastet, damit man seinen Körper reinigt und dadurch endlich mal zur Besinnung kommt und an die vielen hungernden Menschen denkt, denen es nicht so gut geht wie unsereins!

Bei mir bewirkt der Ramadan aber zusätzlich, dass mir auf schmerzliche Weise bewusst wird, dass aus mir niemals weder ein halbwegs guter Lehrer noch ein halbwegs brauchbarer Erzähler werden kann.

Die Menschen hierzulande verstehen mich nämlich nicht. Besonders jene Menschen nicht, die der deutschen Leitkultur-Gesellschaft angehören. Die bringen mich jedes Jahr pünktlich zum Ramadan zur Raserei! Seit 40 Jahren erkläre ich es allen meinen teutonischen Nachbarn und Bekannten und allen meinen Kumpels in Halle 4 mit Engelsgeduld, was Ramadan ist und dass man lediglich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken darf. Trotzdem werden mir regelmäßig jedes Jahr in der Fastenzeit die gleichen skurrilsten Fragen gestellt:

„Osman, stimmt es, dass die Moslems 24 Stunden lang nichts essen und trinken dürfen?“

„Mann, Mann, Mann. Wie haltet ihr es denn 30 Tage lang ohne Nahrung aus?“

„Habe ich richtig gehört, dass ihr im Ramadan überhaupt kein Schweinefleisch essen dürft?“

„Osman, ist während der Fastenzeit auch Alkoholtrinken verboten? Nicht mal ein Bierchen?“

„Dürft ihr denn im Ramadan nicht mal mit der eigenen Frau schlafen? Ihr sollt sie doch nicht essen!“

„Also, Osman, ich finde, Brigitte-Diät ist viel besser als eure Ramadan-Diät! Habe damit 800 Gramm abgenommen.“

Sechs Monate kein Sonnenuntergang

Ich habe die Nase bis oben hin voll! In diesem Fall würde selbst der „Geduldstein in tausend Stücke platzen“, wie mein lieber Onkel Ömer immer zu sagen pflegt!

Als ich gerade aufgeben will, die Deutschen aufklären zu wollen, da kommt mein Kumpel Hans mit einer sehr interessanten Frage, die ich nicht mal kannte: „Osman, was machen denn eigentlich die Moslems am Nordpol? In den nördlichsten Gebieten von Norwegen und Finnland? Wo es sechs Monate lang keinen Sonnenuntergang gibt?“, fragt er höchst neugierig.

Foto: privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter www.youtube.com/@osmanengin1916. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Sofort rufe ich in Utsjoki an, das im äußersten Norden Finnlands an der Grenze zu Norwegen liegt, und frage Mahmut, meinen Cousin dritten Grades, wie sie denn um Gottes willen seit Jahren Ramadan überleben können, wo sie doch volle sechs Monate hungern müssen und wie viele Ramadan-Tote sie inzwischen zu beklagen haben?

„Keinen einzigen“, lacht er sehr lebendig.

„Wie denn das? Ich kippe nach einem Tag fast um und ihr kriegt mehrere Monate nichts zu essen?“, wundere ich mich.

„Oder wir halten uns an die Fastenzeiten in der Türkei“, lacht Mahmut immer noch sehr lebendig.