piwik no script img

Schwimmwettbewerbe in der Pariser SeineOlympisches Bakterienbad

Bei den Sommerspielen in Paris soll in der Seine geschwommen werden. Doch Messwerte der Wasserproben liegen über den Grenzwerten.

Ungesunder Testwettbewerb? Vergangenen Sommer mussten bei einem Triathlon Frauen in die Seine springen Foto: Michel Euler/ap

Nur noch gut 100 Tage gedulden, dann ist es so weit: Am 26. Juli sollen mit allem Pomp und einem Spektakel einer in dieser Art nie dagewesenen Show auf der Seine, die durch die Hauptstadt fließt, die Olympischen Sommerspiele 2024 eröffnet werden. Exakt 100 Jahre nach den viel weniger aufwendigen Spielen von 1924. Die Seine wird nicht nur zu Beginn im Blickpunkt der Olympia-Freund*innen stehen. Sogar ein Teil der Schwimmwettkämpfe sind im viel besungenen Fluss vorgesehen: das Marathonschwimmen und der nasse Teil des Triathlons.

Im Ernst? Derzeit führt die Seine Hochwasser und tritt an mehreren Stellen bereits über das Ufer, die Strömung ist sichtbar stark, das Wasser ist braun wie Milchkaffee. Zu einem kühnen Kopfsprung und Baden lädt das nicht gerade ein. Doch die Organisatoren strotzen vor professionellem Optimismus. Es reiche doch, dass es nicht allzu viel regnet, damit alles gut wird. Und die sehr kostspieligen Sanierungsarbeiten, mit denen eine passable Hygiene erreicht werden soll, würden termingerecht abgeschlossen. Und spätestens ab 2025 könne auch die Bevölkerung wieder in der Seine baden, wie vor 100 Jahren, und wie es der frühere Pariser Bürgermeister und Staatspräsident Jacques Chirac überaus optimistisch schon vor 35 Jahren versprochen hatte.

Laut offiziellen Zahlen müssen indes jedes Jahr rund 360 Tonnen Abfälle (darunter angeblich Mietfahrräder, Roller, Waschmaschinen und andere „entsorgte“ Geräte) aus dem Fluss geborgen werden, der zudem bislang mit jährlich 2 Millionen Kubikmeter Abwasser verschmutzt wurde. Noch immer sind 20 von 250 der als Res­taurants oder Wohnboote das Ufer entlang vertäuten Flusskähne nicht an die städtische Kanalisation angeschlossen.

Um die zusätzlichen Wassermengen bei Gewittern aufzufangen – und so eine massive Verschmutzung zu verhindern –, wurde beim Bahnhof sogar ein riesiges unterirdisches Becken von 30 Metern Tiefe gegraben. Bis zu 46 Millionen Liter könnten darin zwischengelagert werden. Niemand weiß, ob das wirklich reicht, wenn bei Sommergewittern aus dem Hinterland die Fluten der Seine und der Marne in Paris ankommen.

Ohne einen Plan B

Nicht ganz so zuversichtlich wie die Offiziellen ist die auf den Gewässerschutz spezialisierte NGO Surfrider Foundation France, die in Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden seit September 2023 regelmäßig mit Wasserproben die Verschmutzung misst. Und bisher sind die Ergebnissen nicht sehr ermutigend für die Organisatoren: Bei 13 von 14 Proben lagen die Messwerte für Bakterien (namentlich Enterokokken und Escherichia coli) zum Teil sogar deutlich über den Grenzwerten, die vom internationalen Verband World Aquatics als zulässig für die Gesundheit der Schwim­me­r*in­nen festgelegt worden ist.

„Zwei bis drei Mal über den Normen, die als Minimum für die Jahreszeit gelten“, bestätigt der Sprecher der NGO, Marc Valmassoni. Wer in solchen Gewässern schwimmen wolle, müsste diverse Erkrankungen wie Gastroenteritis sowie Probleme der Augen, Ohren und der Haut in Kauf nehmen, warnt er.

Einen „Plan B“ mit einem alternativen Austragungsort gibt es laut den Behörden der Hauptstadtregion nicht. Sollte das stimmen, müssten die in der Seine angesetzten Wettkämpfe, wenn in 100 Tagen die Hygiene immer noch unbefriedigend ist, entfallen.

Vor einer Woche wurde von Staatspräsident Emmanuel Macron in Saint-Denis das neu erstellte Hallenbad eingeweiht, in dem die anderen Schwim­me­r*in­nen um Medaillen kämpfen. Bei dieser Eröffnung rutschte der Wasserspringer Alexis Jandarde auf dem Sprungbrett aus, knallte mit dem Rücken aufs Brett und fiel anschließend wenig elegant ins Wasserbecken. Wenn das bloß kein schlechtes Omen ist!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das ist sicherlich die 'offizielle Erklärung', dass es überhaupt keinen "Plan B" gibt. Professionell geplante Großveranstaltungen sind sicher nicht in allen Teilen transparent, schon aus Sicherheitsgründen.