Stereotype über Roma und Sinti: Jetzt sind wir dran
Roma und Sinti finden noch immer zu wenig statt in den Medien. Mehr Repräsentation ist dringend notwendig. Auch über Gedenktage hinaus.
Dass ich Rom bin, habe ich lange verheimlicht. Es ist nicht so, dass ich mich für meine Identität geschämt habe, aber ich hatte Angst vor Diskriminierung. Angst davor, in der Schule und später im Berufsleben Nachteile zu erfahren. Und das ist nicht unbegründet, wie ich feststellen musste.
Nach meinem Fachabitur vor gut elf Jahren musste ich ein sechswöchiges Praktikum absolvieren. Schon immer war es mein Traum, beim Radio zu arbeiten, doch obwohl ich nicht als Rom geoutet war, hatte ich als jemand, der ursprünglich aus dem Kosovo stammt, Schwierigkeiten, einen Platz zu bekommen. Mit etwas Glück fand ich schließlich ein Praktikum bei einer Produktionsfirma, die für die öffentlich-rechtlichen Sender Beiträge produziert. An meinem ersten Tag sollte in einer Flüchtlingsunterkunft in Trier ein Beitrag über Roma aus Kosovo und Nordmazedonien gedreht werden – denn Roma aus dem Balkan sollten abgeschoben werden, da die Länder als sichere Herkunftsländer galten. Auf dem Weg zur Unterkunft, einer kurzen Autofahrt von Mainz nach Trier, fand ich heraus, dass wir zwar einen Beitrag über Roma machen sollten, es aber keinen Dolmetscher gab. Etwas naiv outete ich mich: „Ich bin Rom und kann den Journalisten und der Kamera-Crew beim Übersetzen helfen.“
Ich konnte helfen, nicht nur beim Übersetzen, sondern auch dabei, einen Zugang zu den Menschen in der Unterkunft zu finden. Denn unter ihnen war das Misstrauen gegen die Medien groß. Mein erster Praktikumstag war ein Erfolg, so dachte ich zumindest damals. Schnell bereute ich es aber, mich als Rom geoutet zu haben. Denn von da an hatte ich leider das Gefühl, in der Produktionsfirma nicht willkommen zu sein und dass die Kollegen mich loswerden wollten.
Meine Erlebnisse sind kein Einzelfall: Viele Sinti und Roma outen sich nicht und verheimlichen ihre Identität. Tun sie es doch, erleben sie Diskriminierung im Alltag und im Berufsleben – auch im Journalismus. Dabei ist es gerade in den Medien wichtig, dass mehr Sinti und Roma dort arbeiten.
Fortbildungen für Medienschaffende
Oft ist die Berichterstattung antiziganistisch. Das heißt: In vielen Beiträgen und Texten wird (ob bewusst oder unbewusst) rassistische Sprache reproduziert. Das Wissen darüber, was Antiziganismus ist und welche Begriffe schwierig sind, wächst zwar in der Medienbranche, doch die Fortschritte kommen zu langsam. Daher fände ich es wichtig, dass es in Zukunft mehr verpflichtende Fortbildung für Journalisten und Medienschaffende gibt.
ist Journalist und Aktivist. Mit sieben Jahren floh er wegen des Kosovokriegs nach Deutschland. Sein „RymePodcast“ war 2022 für den Civis Medienpreis und 2023 für den deutschen Podcastpreis nominiert.
Auch damit die Anliegen von Sinti und Roma nicht nur an Gedenk- und Feiertagen beachtet werden. Am 8. April oder dem 2. August, dem offiziellen Gedenktag für den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma, gibt es dann vereinzelt Interviews und Beiträge von Vereinen oder Aktivisten. Das ist zwar wichtig, aber es reicht nicht aus. Sinti und Roma, die keine Aktivisten sind, kommen in der deutschsprachigen Medienbranche quasi nicht vor.
Damit mehr Menschen aus der Community der Sinti und Roma in der Medienbranche arbeiten, braucht es gezielte Förderung. Das kann ich auch aus eigener Erfahrung sagen. Nach meiner negativen Erfahrung mit meinem ersten Praktikum hat mich die Motivation, in den Journalismus zu gehen, erst einmal verlassen. Erst als ich 2020 gemeinsam mit Nino Novakovic den „RymePodcast“ ins Leben gerufen habe, konnte ich mein Können unter Beweis stellen. Es sollte nicht an der Initiative von Einzelnen hängen, sondern eigene Sendungen im Radio oder Fernsehen geben von und für die Community.
Andere marginalisierte Communitys haben in den letzten Jahren die Chance erhalten, haben eigene Fernsehshows, Podcasts oder Kolumnen bekommen. Eine gute Entwicklung – doch nun sind auch wir an der Reihe. Wie es gehen kann, zeigen europäische Länder wie Schweden oder Österreich mit der ORF-Redaktion „Volksgruppen.orf“ und der schwedischen Radiosendung „Radio Romano“ vom Sender Sveriges Radio. Zeit, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland gemeinsam mit der Sinti-und-Roma-Community eigene Programme entwickelt. Damit wir künftig mehr als zweimal im Jahr vorkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos