wortwechsel
: Gefährlicher Waffenrausch: Das Phantom der Sicherheit

Den Krieg in der Ukraine „einfrieren“, um ihn langfristig beenden zu können – ein humaner Vorschlag? Oder „Verrat“ an der Ukraine? Kein langer Friedensmarsch in Sicht? Nur Ostern?

Alltag im Krieg – ständige Todesgefahr. Region Saporischschja, Januar 2024. Ein ukrainischer Soldat mit einem 155-mm-Artilleriegeschoss für den Einsatz an der Front Foto: reuters

„Wunde Stellen. Die Reaktionen auf SPD-Fraktionschef Mützenich zeigen, dass er einen Nerv getroffen hat. Der Krieg verläuft nicht, wie er sollte. Darüber muss man reden“, taz vom 20. 3. 24

Mehr Krieg! Muss sein?

„Back to the roots“? Neues Wettrüsten, dann wird schon alles gut? Zu dem angeblichen „Geschwätz“ vom Frieden: Friedensbewegungen und Politikern wie Willy Brandt haben wir es zu verdanken, dass wir die längste „Friedensphase“, in Europa hatten. Wir waren als Gesellschaft in dieser Hinsicht weiter als heute. Unser Problem sind die „ewig Gestrigen“, die in bester John-Wayne-Manier auftreten, und nicht die Personen, die sich für Frieden aussprechen. Sam Spade

@Sam Spade Unter Brandt gab es Wehrpflicht und 3 Prozent BIP im Bundeshaushalt. Schmidt stellte die Bundeswehr wieder auf die Füße. Die Nato befand sich militärisch mindestens auf Augenhöhe mit Russland und seinen Vasallen. Das ist der Grund für die Friedensperiode, was die Ostflanke angeht. Ohne die militärische Hinterfütterung wäre Brandts preisgekrönte Ostpolitik gar nicht erst möglich gewesen. Metallhead86

@Sam Spade Richtig! Man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Zu Zeiten Brandts hatten wir 3 bis 4 Prozent des BIPs an Militärausgaben, tausende Kampfpanzer, 500.000 Soldaten. Und einen besseren Sozialstaat! Wie haben die das nur gemacht? Waren wir damals weiter? Moralisch erhabener? Ich glaub eher nicht. Aber dass unsere Munition nur für wenige Tage gereicht hätte, falls die SU angegriffen hätte? Undenkbar. Friedliebend zu sein, bin ich total dafür, aber deswegen so dumm zu sein, keine Verteidigungskapazität zu haben, das ist verantwortungslos. Ingrid Werner auf taz.de

dank an Stefan Reinecke für den kommentar auf der ersten seite. die reaktionen auf die aussagen von Rolf Mützenich zeigen wieder einmal deutlich, wie schwer es ist, ideen und vorschläge einzubringen, die sich nicht an das „group-thinking“ halten. ich wünsche mir mehr kritische stimmen zu der ganzen kriegsdarstellung und der ungefragten militarisierung unserer gesellschaft.

wenn jetzt die kinder in der schule schon eingestimmt werden sollen auf katastrophenalarm, auch für den kriegsfall – wann kommt dann das strammstehen und singen der nationalhymne, die einführung in die waffenlehre – wie sie in Russland und der Ukraine stattfinden? Hier würde ich auch sagen „wehret den anfängen“. Monika Dern, Grünberg

Sicher, das russische Militär ist der Aggressor. Sicher, es kommt – wie in jedem Krieg – zu Grausamkeiten und Verbrechen. Die Opfer der Aggression aber in dem irrigen Glauben zu bestärken, sie könnten den Krieg irgendwann mit militärischen Mitteln zu ihren Gunsten entscheiden, das ist – vorsichtig ausgedrückt – verantwortungslos. Ich teile die Haltung des Herrn Mützenich, dass parallel zu den Waffenlieferungen auch öffentlich mögliche Schritte zur Unterbrechung der Kampfhandlungen mit dem Ziel einer längerfristigen Befriedung des Konflikts diskutiert werden sollten.

Bürger L. auf taz.de

Exitstrategie – endlich?

In Mützenichs Waffenstillstandvorschlag erkenne ich endlich den radikalen, kompromisslosen Pazifismus der Frauenrechtlerin Clara Zetkin wieder, deren Kampf für Frieden und Sozialismus prägend für die SPD war. Justus* auf taz.de

@justus* Mützenichs Vorschlag ist keineswegs pazifistisch: Er lehnt den Einsatz militärischer Mittel keineswegs grundsätzlich ab, sondern erkennt nur, dass ein ukrainischer Sieg unwahrscheinlich und daher eine Exitstrategie nötig ist. Das ist schlichtweg Realpolitik. Und wenn Sie mir die launische Bemerkung nachsehen: mit Clata Zetkin hat man in der SPD schon seit 1917 nichts mehr am Hut. O.F. auf taz.de

Auf die Frage, was er mit dem Begriff gemeint habe und ob er ihn korrigieren wolle, sagte Mützenich der Neuen Westfälischen am 19. 3.: „Nein, das möchte ich nicht. Ich bin in den Sozial- und Friedenswissenschaften ausgebildet. Dort wird das Einfrieren als Begrifflichkeit genutzt, um in einer besonderen Situation zeitlich befristete lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen, die überführt werden können in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt.“ Das benötige natürlich die Zustimmung beider Kriegsparteien, was man nicht von außen diktieren könne.

Es ist erschütternd und spricht Bände, auf welchem Niveau er dafür kritisiert wird. Keiner auf taz.de

„tagestipp TV: wie gemacht für Rolf Mützenich und andere Defätisten‘“,

taz vom 20. 3. 24

Diese Bemerkung finde ich so was von daneben. Mal eben aus der Hüfte Stalin mit Putin kurzgeschlossen und dann noch so getan, als hätten sogenannte „Defätisten“ Mitschuld am Holodomor. Man kann über die Äußerungen von Mützenich unterschiedlicher Meinung sein, aber diese hingerotzte Bemerkung ist das Ergebnis davon, dass Einseitigkeiten und Vereinfachungen Hochkonjunktur haben und das Nachdenken ersetzen. Leider hat sich hier auch die taz auf diesen abschüssigen Pfad begeben. Gudrun Mörchen

„Putins wunder Punkt“, taz vom 25. 3. 24

Es ist für mich unerträglich – gleich auf der Titelseite instrumentalisiert die taz den Tod von 150 Menschen durch einen verbrecherischen Terrorangriff, um Putin eins „auszuwischen“. Das ist grausam und lächerlich zugleich! Was ist los mit der taz? Kein Wort hier zu den Opfern, keine scharfe Verurteilung der Terroristen, die auf der Flucht gefasst wurden. Ganz groß steht dort auch noch „Putins wunder Punkt“. Manfred Hoffmann, Naunhof

Liebe taz, dies ist kein Vorwurf und auch keine Resignation – aber mein seelischer Zustand wurde offenbar in dem Song der Kinks „The Apeman“ schon 1970 vorausgesehen und angesichts der deprimierenden Weltlage lässt er sich wohl nicht ändern. Trotz alledem freue ich mich jeden Morgen darauf, die taz aus dem Briefkasten zu holen – alte Liebe rostet halt doch nicht. Ursel Grotz, Entringen