Ex-Chef von Gruner + Jahr: Viel frei, aber keine Zeit

Der ehemalige CEO von Gruner + Jahr Stephan Schäfer hat einen Roman geschrieben. Darin geht es über ein gehetztes Leben mit zu vielen To-Do-Listen.

Regenwolken und Gewitterwolken über einem Weizenfeld

„In meinem Kopf war es nie still, die Arbeit stets unsichtbar mit im Gepäck“ Foto: Shannon Bileski/imago

Was machen Medien­manage­r*innen, wenn es mit dem Medienmanagen nicht mehr rundläuft? Sie schreiben Bücher. Miriam Meckel hat 2010 ihrem Burn-out in „Brief an mein Leben“ gezeigt, dass sie sich durch so was nicht aus dem Konzept bringen lässt. Die frühere NRW-Regierungssprecherin, Journalistin, Medienprofessorin und Beraterin beschwor darin das „Glück der Unerreichbarkeit“, was ihr die taz allerdings nicht so ganz abnahm. „Meckel sitzt in ihrem Zimmer und guckt in die Schneelandschaft. Alles, was sie hört, ist ihr Tinnitus“, schrieb die damalige Rezensentin.

„In meinem Kopf war es nie still, die Arbeit stets unsichtbar mit im Gepäck“, auch dieser Satz könnte von Miriam Meckel sein. Er ist aber von Stephan Schäfer, der gerade seine derzeit unterbrochene Laufbahn fürs Schreiben genutzt hat. Nicht wie Meckel in einer Mischung aus populärwissenschaftlichem Sachbuch und Teilautobiografie, sondern in einem Ferienhausroman.

„25 letzte Sommer“ heißt das Buch. Und hat natürlich gar nichts mit dem Mann zu tun, der zunächst mal in Hamburg den honorig-hanseatischen Verlagsdampfer Gruner + Jahr enterte und auf Gewinnmaximierung in schwerer Zeit trimmte. 2022 hatte Schäfer dann die absurde Idee, G+J mit der RTL-Gruppe zu fusionieren. Die Idee ist heute immer noch ziemlich abenteuerlich und klappen tut’s auch nicht. Weshalb Schäfer weg vom Fenster und im Wochenendhaus ist.

Da liegt er beziehungsweise sein Ich-Erzähler dann viel zu früh wach und verfällt prompt ins Grübeln. „Abarbeiten statt Leben“, schießt ihm durch den Kopf. „Mit jedem neuen Smartphone wurde ich immer erreichbarer und überall verfügbar.“ Wobei, so viel Selbstreflexion darf sein, der selbstgemachte Druck natürlich der ärgste war. „Getrieben von Abgabeterminen, von Erwartungen anderer und den eigenen“ bleibt dann plötzlich keine Zeit mehr fürs Ich. Und wie wird ein Mensch dann? „Streng zu sich selbst, selten zufrieden, entschlossen statt entspannt.“

Ein Hauch von Weisheit

Doch Rettung naht. Sie heißt Karl, ist schon älter und schwimmt nackt. Welch Glück, dass Schäfers Ich-Erzähler aus den Federn steigt und zum See radelt. Von dem hatte er schon gehört, war aber noch nie da, weil auch in der Freizeit natürlich frei, aber keine Zeit ist.

Dann nimmt die Mischung aus Bauerntheater und Self­im­prove­ment-Seminar seinen Lauf. Karl ist tatsächlich ein bisschen Bauer und macht in Kartoffeln. Außerdem ist er so was von weise mit diesem Hauch Richard David Precht. Und – peng! – ist auch bei Schäfers Ich-Erzähler plötzlich Zeit da und damit das große kosmische Begreifen. „Als ich an Karls Feld vorbeikam, bemerkte ich, dass der Wind von hinten und nicht von vorne kam“, lautet der letzte Satz.

Mal sehen, wo es Schäfer als nächstes hinweht. „Und in welchem See er in seiner Freizeit nackt baden geht“, sagt die Mitbewohnerin, „aber ich will’s auch gar nicht wissen!“

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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