das wird: „Da stehen lauter Rehe um das Haus des Nachbarn“
In Hamburg wird der Öko-Thriller „Gesang der Fledermäuse“ zur Oper
Interview Alexander Diehl
taz: Frieda Lange, was macht einen ökofeministischen Krimi zu einer guten, vielleicht sogar in diesen Zeiten zwingenden Musiktheater-Vorlage?
Frieda Lange: Für mich hat dieser Krimi eine tolle Vorlage geboten, weil er sehr atmosphärisch geschrieben ist: die Naturbeschreibungen, die große Rolle der Landschaft. Im Buch wird ja nicht nur die Perspektive einer älteren Frau eingenommen, sondern auch die von Tieren und überhaupt der Natur, in der sie lebt. Um das auf der Bühne darzustellen, habe ich mir gedacht, kann man sehr gut die Musik zur Hilfe nehmen – ohne konkret einen riesigen echten Wald auf die Bühne zu stellen.
Wie würden Sie selbst den Text „Tanz der Fledermäuse“ beschreiben?
Sehr ungewöhnlich finde ich, dass die Protagonistin, die auch selbst die Geschichte erzählt, eine ältere Frau ist: Janina lebt in der Provinz, in einem kleinen Ort, der gar keinen Namen trägt, quasi im Wald. Eigentlich sind so gut wie alle anderen Menschen weggezogen. Sie aber bleibt zurück, sie und noch ein paar andere „Verrückte“, und wird von ihrer Umgebung als ziemlich nervtötende Aktivistin wahrgenommen.
Warum das?
Frieda Lange
hat Musiktheaterregie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg studiert. Die Inszenierung ist ihre Abschlussarbeit.
Sie macht sich unbeliebt dadurch, dass sie Fallen aufsammelt, tote Tiere bei der Polizei anzeigt, sich überhaupt ständig beschwert über alle möglichen Leute. Sie führt also einen sehr eigenbrötlerischen, vergeblichen Kampf und wird deshalb ausgelacht, beschimpft, auch als Hexe bezeichnet. Allerdings hat ihr Widerstand auch seine Grenzen: Sie wird eben nicht ernst genommen, die meisten ihrer Beschwerden werden gar nicht erst aufgenommen bei der Polizei. Das Buch beginnt nun damit, dass einer ihrer Nachbarn stirbt und sie nachts mitbekommt: Da stehen lauter Rehe um sein Haus herum. Sie bekommt auch mit, dass der Nachbar an einem Rehknochen erstickt ist – dadurch beginnt eine große Theorie in ihr zu wachsen.
Welche große Theorie?
Ob es nicht sein könnte, dass die Tiere hier zurückschlagen, sich an den Menschen rächen für die ganzen Vergehen, gegen die sie selbst sich schon jahrelang einsetzt. Sie hat also diesen Verdacht, äußert den auch sehr laut in ihrer Umgebung. Aber selbst befreundete Menschen empfehlen ihr, nicht darüber zu sprechen. Interessanterweise ist sie diesem Urteil aber nicht ausgeliefert, sondern sie macht es sich zunutze: Sie beginnt ihre Umgebung zu täuschen, indem sie sich quasi die Einschätzung der anderen aneignet und auftritt als diese vermeintlich Verrückte, diese nervige Personen, die keine Ahnung von der Welt zu haben scheint. Dadurch ist sie zunehmend auch keine zuverlässige Erzählerinnenfigur.
Wenn der Text die Glaubwürdigkeit der Erzählerin allmählich untergräbt: Gibt es dazu auch eine Entsprechung in Ihrer Inszenierung?
Musiktheater „Drive your plow over the bones of the dead“: 14.–16. 3., jeweils 19.30 Uhr; 17. 3., 16 Uhr, Hamburg, Hochschule für Musik und Theater/Forum
Ja, tatsächlich. Denn es gibt einerseits den Text, der erzählt wird von der Protagonistin. Und es gibt das Bühnengeschehen, teilweise überlagert sich beides, ist kongruent – teils aber auch nicht. Man sieht also auch mal etwas anderes auf der Bühne als das, was erzählt wird. Und wir fügen dem Buch noch etwas hinzu: Die Protagonistin hat sehr viele Albträume, Visionen, und die stellen wir dar. Bloß beinhalten sie im Buch andere Dinge als jetzt bei uns. Zum Beispiel spielt die Jagd bei uns eine größere Rolle.
Und Musik – von Rosa Anschütz – gibt es ja auch noch.
Das ist auch noch etwas, das die Protagonistin anreichern könnte. Im Buch fängt Janina an, sich mit William Blake zu beschäftigen, mit seiner Mystik. Im Buch wird daraus sehr kleinteiliges Übersetzen, sehr genaues Ansehen seiner Texte – wir verschieben das auf die musikalische Ebene.
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