Solidarisches Bündnis gegen Rechts: „Wir lassen uns nicht verheizen“

Wie lässt sich die AfD in Brandenburg noch aufhalten? Im Interview erzählen Peps Gutsche und Tomke Bohnsdorf über Antifaschismus in der Provinz.

Die Provinz steht auf: Anti-AfD-Proteste auf einer Kundgebung in Lehnin im Januar Foto: Sascha Steinach/imago

taz: Tomke Bohnsdorf, mit eurem neu gegründeten „Solidarischen Bündnis gegen rechts“ sammelt ihr Geld für Brandenburger Antifas und unterstützt bei Aktionen im Berliner Umland. Wie kamt ihr auf die Idee?

Tomke Bohnsdorf: Es stehen in Brandenburg Landtagswahlen im September an, es gibt diesen riesigen gesellschaftlichen Rechtsruck. Es gibt in Berlin eine Fülle an Strukturen und Ressourcen, die aber gerade keine koordinierte Antwort darauf haben. Es geht darum, Kräfte zu bündeln und sich besser zu vernetzen mit den Brandenburger Strukturen, damit man die Ge­nos­s:in­nen nicht alleine im Regen stehen lässt. Die AfD ist kein Brandenburger Problem, sondern ein deutsches. Ein Wahlerfolg würde der Normalisierung der AfD massiv Vorschub leisten. Dem müssen wir uns alle entgegenstellen.

Wie sieht diese Unterstützung konkret aus?

Bohnsdorf: Es geht darum, eine gute Vernetzung zu haben mit den Leuten vor Ort, weil die wissen am besten, welche Strategien greifen. Die haben schon viel ausprobiert, verworfen, gemerkt, was funktioniert und was nicht. Wir wollen Ressourcen und Infrastrukturen bereitstellen oder vielleicht auch mal eine Aufgabe übernehmen, für die die Ge­nos­s:in­nen vor Ort gerade keine Zeit haben. Und es ist in Berlin einfach viel leichter, an Ressourcen wie Geld zu kommen. Ob ich in einer Kleinstadt eine Soliparty organisiere oder hier, was am Ende dabei herumkommt, ist ein großer Unterschied.

Die AfD erzielt bei Umfragen über 30 Prozent, die Landtagswahlen stehen vor der Tür. Das Bündnis will Berlins antifaschistische Kräfte koordinieren, um die Brandenburger Ge­nos­s:in­nen effektiver unter­stützen zu können. Zum Beispiel durch gemeinsame Anreisen und Mobilisierung zu Aktionen oder finanzielle Unterstützung. So findet eine gemeinsame Anreise zum AfD-Partei­tag nach Jüterbog am Samstag statt. 16. März, 10.15 Uhr, Hbf Gleis 4

Die Spendenkampagne Ob Materialien für Transparente, Flyer oder Fahrtkosten – Aktivismus gegen rechts kann gerade in Zeiten der Inflation ins Geld gehen. Um lokale Initiativen unbürokratisch und schnell auch mit kleineren Beträgen unter die Arme greifen zu können, hat das Bündnis eine Crowdfunding-Aktion gestartet:

Tomke Bohnsdorf (keine Pronomen) ist 35 Jahre alt und in verschiedenen antifaschistischen und queer-­feministischen Gruppen und Bündnissen in Berlin aktiv.

Peps Gutsche (keine Pronomen) ist 35 Jahre alt. Arbeitet in der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Märkisch Oderland in Strausberg. Mitglied der Kampagne „Kein Acker der AfD”.

Es geht also weniger darum, mit einer Gruppe anderer Ber­li­ne­r:in­nen im Schwarzen Block durch brandenburgische Kleinstädte zu ziehen, Pyros abzufackeln und „Siamo Tutti Antifascisti“ zu rufen?

Bohnsdorf: Wir wollen die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen, nach dem Schema, irgendwelche Klugscheißer aus Berlin kommen nach Brandenburg und machen eine Demo, die nicht abgesprochen ist. Am Ende dürfen die lokalen Strukturen das ausbaden, weil die sich unbeliebt gemacht haben bei der sogenannten bürgerlichen Mitte. Es geht darum, sich zu vernetzen, Wissen und Analysen auszutauschen und daraus eine gute Strategie zu machen. Und vor allen Dingen innerhalb Berlins Leute zu mobilisieren, die erst jetzt den Ernst der Lage begriffen haben.

Wie unterscheidet sich antifaschistische Arbeit in der Großstadt und in der Provinz? Peps Gutsche, Sie sind in Strausberg, einer Kleinstadt am nordöstlichen Rand Berlins, aktiv und arbeiten dort unter anderem bei der Beratungsstelle für Opfer rechter ­Gewalt.

Peps Gutsche: Die Unmittelbarkeit ist ein großer Unterschied. Alle kennen sich, und ich begegne in meinem Alltagsleben ständig Leuten, gegen die sich meine politische Arbeit richtet. Beispielsweise einer der Mörder von Hans-Georg Jakobson, einem der Todesopfer rechter Gewalt in den 90er Jahren, derer wir hier in Strausberg jedes Jahr gedenken, wohnt hier noch. Ich begegne dem oft. Das ist einfach eine sehr bizarre Situation. Das bedeutet aber auch, dass man selber viel unmittelbarer mit Leuten zusammenarbeitet. In der Großstadt suche ich mir vielleicht aus, mit wem ich Sachen mache. Hier gibt es weniger, dafür aber sehr engagierte Leute.

Es gab ja Anfang des Jahres, ausgelöst durch die Correctiv-Enthüllungen, eine riesige Protestwelle gegen die AfD. In Berlin demonstrierten hunderttausende Menschen. Wie viel ist da in Brandenburg angekommen?

Kundgebung gegen Rechts in Beelitz im Februar Foto: Sacha Steinach/imago

Gutsche: Tatsächlich viel. Zumindest bei uns im Landkreis Märkisch Oderland. Im Januar haben wir eine große Kundgebung in Strausberg gemacht, bei der fast 2.000 Personen aus dem gesamten Landkreis anwesend waren. Und auch im Nachhinein haben sich auch an den jeweiligen Orten immer wieder kleinere Kundgebungen, Demonstrationen oder auch Lichterketten abgespielt. Das Schöne war, dass diejenigen, die schon seit vielen Jahren im Landkreis aktiv sind, durch diese Veranstaltungen gestärkt worden sind und gleichzeitig viele neue Personen hinzugekommen sind.

Unter dem Label „Kein Acker der AfD“ organisiert ihr seit einigen Jahren ­Gegenproteste zu AfD-Veranstaltungen. Welche Strategien und Taktiken nutzt ihr, um der AfD Paroli zu bieten?

Gutsche: Rechte Räume sind ein wichtiger Knotenpunkt für Mobilisierung und Agitation. Wir wollen sagen: Auch im ländlichen Raum wird sich der AfD entgegengestellt. Wir haben Grundsätze festgelegt, in welchen Fällen wir Gegenproteste organisieren: Wenn Parteiprominenz von der AfD kommt oder wenn es vor Ort Menschen gibt, die aktiv sagen: Wir wollen, dass es hier auch mal Gegenproteste gibt. Das ist eine Strategie, die stark auf eine Langfristigkeit ausgerichtet ist. Wir wollen uns ja auch von der AfD nicht verheizen lassen. Die Anzahl an Bürgerdialogen, Austauschrunden und Stammtischen, die die AfD bei uns im Landkreis organisiert, ist massiv gestiegen. Wenn wir gegen jede einzelne Veranstaltung Gegenproteste organisieren, dann machen wir das nicht lange.

Warum sind Gegenproteste so wichtig?

Gutsche: Wir wollen der Normalisierung dieser rechten Partei entgegenwirken. Da ist ein sicht- und hörbarer Protest eine sehr einfache Form dafür. Langfristig gesehen sind Straßenproteste nicht die einzige Strategie, sondern die Kämpfe gegen die AfD müssen an vielen Stellen und unterschiedlichen Formen laufen. Was die Erfahrungen der letzten Wochen zeigen, ist, dass Straßenproteste eine Möglichkeit sind, neue Mit­strei­te­r:in­nen zu gewinnen.

Es wird ja nicht nur im September der Landtag gewählt, sondern im Mai stehen auch die Kommunalwahlen an. Wie blickt ihr denn persönlich auf die bevorstehenden Wahlen?

Bohnsdorf: Egal wie sich das am Ende ausgestaltet, das Ergebnis wird das politische Klima verändern. Wenn die AfD eine starke Position im Landtag hat, wird das nicht nur klassische linke Projekte unter Druck setzen, sondern auch Frauenhäuser, Beratungsstrukturen und so weiter. Wir müssen sicherstellen, dass die Leute, die dann unter schlechteren Bedingungen eine gute linke Politik machen, auch nach den Wahlen Support kriegen und nicht ausbrennen. Es klingt jetzt total abgedroschen, aber es ist wirklich kein Sprint, es ist ein Marathon. Die Leute hören nicht auf zu existieren nach den Wahlen und die AfD leider auch nicht.

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